Frauenzimmer, das

[274] Das Frauenzimmer, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Ein Zimmer, d.i. Gebäude, oder Theil eines Gebäudes, der für das weibliche Geschlecht bestimmt ist; Gynaeceum, Schwed. Fruntimmer. Die Gewohnheit, nach welcher das weibliche Geschlecht von gutem und vornehmen Stande von dem männlichen abgesondert wohnete, und welche noch in den Morgenländern üblich ist, war ehedem auch in verschiedenen Gegenden Europens üblich. Daß sie allerley junge schöne Jungfrauen zusammen bringen ins Frauenzimmer, Esth. 2, 3. Und er that sie an den besten Ort im Frauenzimmer, V. 9. Vor dem Hof am Frauenzimmer, V. 11. So auch V. 13, 14. 2) Mehrere Personen weiblichen Geschlechtes von gutem Stande, ingleichen das gesammte weibliche Geschlecht, in der anständigen Sprechart, als ein Collectivum und ohne Plural; im Schwed. gleichfalls Fruntimmer. Die Küniginn mit ihrem Frauenzimmer, d.i. mit ihrem weiblichen Gefolge, Theuerd. Kap. 101. Das Frawenzümmer den held lobt, ebend. Kap. 20. Es mag das gannz frawen zymmer zusehen und groß freud darvan empsahen, ebend. Wiewohl das Frauenzimmer dergleichen oftmahls nicht versteht, Opitz. Im gemeinen Leben und den niedrigen Sprecharten sind dafür Frauenvolk, Frauensleute, Weibsvolk, Weibsleute, Weibspersonen üblich. 3) Eine einzelne Person weiblichen Geschlechtes von gutem Stande, da man von geringern Personen den Ausdruck Frauensperson und von ganz niedrigen das Wort Weibsperson gebraucht. Diminut. in der vertraulichen Sprechart das Frauenzimmerchen. Ein vornehmes Frauenzimmer. Zwey junge Frauenzimmer. Ungeachtet dieses Wort ungewissen Geschlechtes ist, so leidet es, um der dadurch bezeichneten weiblichen Person willen, doch ein Pronomen weiblichen Geschlechtes nach sich. Ein Frauenzimmer, die Tugend und Verstand besitzt, Gell. Ein schönes Frauenzimmer, die gegen den Liebhaber gar zu lange spröde thut, Gell. Indessen[274] scheint doch das in beyden Stellen dem Ohre angenehmer zu seyn. Dieser dritte Gebrauch des Wortes ist freylich neu; aber doch nicht so neu, als viele glauben. Wenigstens war er zu Opitzens Zeiten schon gangbar. Wir müssen, sagt er an einem Orte, in einem schönen Frauenzimmer nicht die Gestalt, sondern die Schönheit des Gemüths erheben. Gottsched kannte diese Stelle vermuthlich nicht, sonst würde er das Wort in dieser Bedeutung nicht für lächerlich erkläret, und, trotz aller Achtung, welche er für das schöne Geschlecht haben wollte, statt dessen immer das so niedrige Weibsperson gebraucht haben. Es gibt über dieß mehrere Fälle, wo eigentliche Collectiva individuell gebraucht werden. Opitz scheinet sogar den Ausdruck Weibesvolk in diesem Verstande genommen zu haben:


Ein Weibesvolk, wie keusch es auch mag seyn,

Wird oftermahls bezwungen durch den Wein.


In einer Urkunde des Baierischen Königes Ludewig im Metrop. Salisburg Th. 2, S. 12 heißt es: Mancipia infra curtem inter pueros et feminas genecios viginti duo; wo Genecius für Gynaeceum steht, und gleichfalls eine individuelle Bedeutung zu haben scheint.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 274-275.
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