Frevel, der

[286] Der Frêvel, des -s, plur. ut nom. sing. 1. * In der eigentlichen Bedeutung, Gewalt, Stärke. Also ward der fräuel mit fräuel angegriffen, heißt es in dem 1472 gedruckten Buche Belial S. 5, von der durch Christum geschehenen Bestürmung der Hölle. Daß uns freuel ist beschehen, ebend. daß uns Gewalt geschehen ist. In dieser Bedeutung ist es im Hochdeutschen veraltet. 2. Figürlich, unrechtmäßige Gewalt, vorsetzliche Beleidigung anderer; wo dieses Wort 1) für eine jede vorsetzliche Beleidigung Gottes und der Menschen, für Laster, Bosheit, Verbrechen gebraucht wird. Die Erde war voll Frevels, 1 Mos. 6, 11, 13; und so in andern Stellen mehr. In einigen Oberdeutschen Gerichten theilet man die Verbrechen in den kleinen und den großen Frevel, wovon jener für die niedere, dieser aber für die höhere Gerichtsbarkeit gehöret. Mein Gewissen stellt mir auf Ein Mahl die schwärzesten Frevel dar, von Brawe. 2) Am häufigsten bedeutet dieses Wort eine jede vorsetzliche Beleidigung anderer, oder Übertretung der Gesetze, aus bloßem Muthwillen und ohne Nutzen. Etwas aus bloßem Frevel thun. Einen Frevel begehen. Frevel an jemanden begehen. Den Frevel büßen, Strafe dafür geben oder leiden. 3) In den Gerichten werden oft geringe Verbrechen, dergleichen Scheltworte, Backenstreiche, u.s.f. sind, die vorhin gedachten kleinen Frevel, nur schlechthin Frevel genannt; zum Unterschiede von den höhern Verbrechen. Auch die Strafe für dergleichen Übertretungen der Gesetze oder Beleidigungen anderer führet in manchen Gegenden diesen Nahmen, S. Frevelbuße. 4) Muthwillen, Leichtfertigkeit, und leichtfertige Gesinnung. Das Kind weiß vor Frevel nicht, was es anfangen soll.

Anm. Schon Ottfried braucht Frauili für Verbrechen, und Notker Frauali für praesumtio. Im Niedersächsischen lautet dieses Wort Wrevel. Im Mittlern Lat. ist Fribolum, Fribusculum, Friuiusculum, ein geringes Verbrechen. Fribolum, heißt es bey dem Isidor, Orig. B. 9, Kap. 8, est cum eo animo separantur (conjuges) ut rursum ad se invicem revertantur. Nam fribolum est velut quassae mentis et effluxae, nec stabilis. Das Latein. frivolus ist vermuthlich mit unserm Worte Frevel verwandt, ob man gleich unrecht handeln würde, wenn man dieses von jenem ableiten wollte. Frisch hatte den wunderlichen Einfall, es komme von ver und eben her, und bedeute so viel als uneben, ungleich machen. Die Sylbe el ist augenscheinlich die bekannte Ableitungssylbe; daher für das Stammwort nur Freu, Frev übrig bleibet. Dieses scheinet mit frey, ingleichen der ersten Sylbe in Freude sehr genau verwandt zu seyn. Das u oder i kann hier eben so leicht in den Blaselaut v übergegangen ist. Im Oberdeutschen ist auch fräfen für kühn, tapfer, verwegen, bekannt. Ein fräffner Mann, Tschudi, ein tapferer Mann. Fräffne Errettung, tapfere, Fronsberg; welches diese Ableitung bestätiget. S. Freventlich und das folgende Beywort. Im Oberdeutschen ist dieses Wort auch weiblichen Geschlechtes, die Frevel, plur. die Freveln, welches schon im Schwabenspiegel vorkommt.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 286.
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