Freyheit, die

[295] Die Freyheit, plur. die -en, das Abstractum des Beywortes frey. I. Der Zustand, da eine Person oder Sache frey ist, ohne Plural. 1. In der weitesten Bedeutung, der Zustand der Abwesenheit gewisser Arten des Zwanges und der Einschränkung, welche alsdann das Vorwort von bekommen. Die Freyheit von Sorgen, von Geschäften, von Schulden, von dem Gesetze u.s.f. 2. In engerm Verstande, wo es, so wie das Bey- und Nebenwort frey, absolute und mit Auslassung der Einschränkung, von der Abwesenheit aller Arten des Zwanges und der Einschränkung gebraucht wird. 1) Im physischen Verstande, der Zustand, da eine Person oder Sache von demjenigen frey ist, was dessen Bewegung hindert oder einschränket. Einem Gefangenen die Freyheit schenken. Er ist wieder in Freyheit. Ein Thier, einen Gefangenen in Freyheit setzen. Sich in Freyheit setzen, entwischen, entkommen. Jedes Thier liebt, sucht die Freyheit. Das hindert die Freyheit der Bewegung. Die Freyheit des Pinsels, wenn derselbe mit einer leichten Dreistigkeit geführet wird. Von dem Mangel der Einschränkung des Raumes und der Berührung möchte es wohl nicht leicht vorkommen. 2) Im bürgerlichen und gesellschaftlichen Verstande,[295] in den mehresten, der bey dem Worte frey angeführten Fälle. Die natürliche Freyheit, derjenige Zustand, in welchem der Mensch in seinen Handlungen von keinem andern abhänget. Einem Leibeigenen die Freyheit schenken. Die Freyheit einer Republik. In der Freyheit leben. Die Freyheit eines Hafens, einer Messe einschränken. 3) Im moralischen Verstande, das Vermögen, zu thun was man will, oder das Vermögen, unter zwey möglichen Dingen dasjenige zu wählen, was uns am besten gefällt. Er hat seine Freyheit. Im engern Verstande ist in der Sittenlehre die wahre Freyheit, die Willkühr unter der Leitung der Vernunft. In der Deutschen Bibel wird dieses Wort noch in einem andern engern Verstande von der Freyheit von dem Jüdischen Ceremonial-Gesetze gebraucht, 2 Cor. 3, 17; Kap. 5, 1, 13; Jac. 1, 25. Auch in den engern sittlichen Bedeutungen des Beywortes frey kann dieses Hauptwort gebraucht werden. Mit großer Freyheit reden und schreiben. Eben weil er das Leben nicht ängstlich sucht, verlieret er nie jene Freyheit des Geistes, die zu Entschließungen in Gefahren erfordert wird, Gell.

II. Das Recht, in einzelnen Fällen an gewisse Einschränkungen nicht gebunden zu seyn, so wohl im physischen, als bürgerlichen, gesellschaftlichen und sittlichen Verstande. Einem Gefangenen mehrere Freyheiten verstatten. Ich nehme mir die Freyheit, ihnen zu sagen, daß u.s.f. Im politischen Verstande sind Freyheiten, welche man auch mit einem Lateinischen Nahmen Privilegia zu nennen pfleget, Rechte, wodurch der Oberherr die Gleichheit der bürgerlichen Rechte zum Besten eines oder mehrerer aufhebet. Eine Stadt, eine Messe, ein Haus, eine Fabrik mit Freyheiten begnadigen. Mit allergnädigster oder gnädigster Freyheit, lieset man mehrmahls auf privilegirten Büchern. Baufreyheiten, Brandfreyheiten, u.s.f. Nachlaß an Steuern und Gaben wegen eines Baues, oder wegen eines erlittenen Brandes.

III. Eine freye Handlung, eine Handlung, wodurch die vorgeschriebenen oder eingeführten Schranken überschritten werden; am häufigsten im nachtheiligen Verstande. In einem Gemählde befinden sich große Freyheiten, wenn die Regeln der Kunst überschritten worden. Da kam der junge Laffe, Herrn Damons Mündel, und nahm sich allerhand Freyheiten heraus, Gell. d.i. er überschritt die Grenzen des Wohlstandes.

IV. Ein befreyeter, d.i. mit Freyheiten oder Privilegiis begabter Ort, in welchem Verstande dieses Wort noch in verschiedenen Gegenden üblich ist. In Westphalen werden Flecken oder Marktflecken, d.i. große mit gewissen Gerechtsamen begabte Dörfer, mehrmahls Freyheiten genannt. In andern Gegenden führten diesen Nahmen gewisse Häuser und Straßen, welche von manchen bürgerlichen Lasten und Einschränkungen befreyet sind. Dergleichen ist die Dom- und Herrenfreyheit zu Naumburg, welche unter dem Domstifte stehet. In eben diesem Verstande kommt in mittlern Lateine auch Emunitas vor. Siehe auch Freyung.

Anm. Dieses Wort lautet bey der Winsbeckinn Frihet, wo es aber petulantia bedeutet, im Nieders. Frijheit, Frigheit, besonders in der Bedeutung eines befreyeten Ortes, im Dän. Frihed, im Schwed. Frihet und Frid. Kero und Notker gebrauchen dafür Frihalse, womit das Schwed. Fraelse überein kommt. Auch Freythum, Angels. Freodome, Engl. Freedom, Holländ. Vrüdom, Nieders. Frijdom, war in der Bedeutung eines freyen Zustandes ehedem nicht unbekannt. Daß Freyheit ehedem auch freye Lohnsoldaten, ingleichen freyes herum streichendes Gesindel bedeutet habe, hat Frisch angemerket und bewiesen. S. auch Freyhof.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 295-297.
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