Frucht, die

[325] Die Frucht, plur. die Früchte, Diminut. das Früchtchen, Oberd. Früchtlein.

1. Eigentlich. 1) In der weitesten Bedeutung, alles was die Erde zur Speise für Menschen und Thiere, besonders aber die erstern hervor bringet; da denn der Plural nur von mehrern Arten oder Quantitäten gebraucht wird. Feldfrüchte, was von dieser Art auf dem Felde wächset; in der Deutschen Bibel Früchte des Feldes. Baumfrüchte, was auf Bäumen wächset. Gartenfrüchte, was in Gärten gebauet wird. Hülsenfrüchte, welche in Hülsen, Schalfrüchte, welche in Schalen erzeuget werden u.s.f. Säet und erntet, und pflanzet Weinberge, und esset ihre Früchte, 2 Kön. 19, 30. In etwas anderm Verstande verstehet man unter diesem Ausdrucke zuweilen die Samen und Samenbehältnisse aller Pflanzen und Bäume, sie mögen nun dem Thierreiche, und besonders dem Menschen, zur Speise dienen oder nicht, mit Ausschließung der übrigen Theile der Pflanzen. 2) In engerer Bedeutung. (a) Das Getreide, oder die Samen verschiedener Grasarten, welche zur Speise gebraucht werden; im Hoch- und Oberdeutschen. Die Sommerfrucht, das Sommergetreide. Die Winterfrucht, das Wintergetreide. Die Frucht steht schön. Die Frucht einernten, einsammeln. Der Plural ist auch hier nur von mehrern Arten und Quantitäten üblich. In Niedersachsen sagt man statt Frucht in dieser Bedeutung Korn, und in einigen Oberdeutschen Gegenden, im Plural Körner. (b) Die Frucht einiger Bäume, Obst. Blumen und Früchte mahlen, d.i. Blumen und Baumfrüchte. Wilde Früchte, d.i. wildes Obst. Früchte einmachen, Nüsse, Datteln, Pflaumen u.s.f. Wälsche Früchte, Früchte der Orange-Bäume, Datteln, u.s.f. Ein Kranz von Früchten.

2. Figürlich. 1) Was die Fruchtbarkeit in dem Pflanzenreiche verursachet und befördert. Wenigstens wird es von den Landleuten Meißens in diesem Verstande von der in der Erde befindlichen[325] Feuchtigkeit gebraucht. Es ist keine Frucht in der Erde, keine Feuchtigkeit. S. Sommerfrucht, Winterfrucht. 2) In einigen Fällen auch von den Producten des Thierreiches. (a) Junge, noch ungeborne oder vor kurzem erst geborne Kinder und Thiere. Die erste Frucht eines Ochsen, oder Lammes, oder Ziegen, 4 Mos. 18, 17. Gesegnet wird seyn die Frucht deines Leibes, und die Frucht deines Viehes, und die Früchte deiner Ochsen, und die Früchte deiner Schafe, 5 Mos. 25, 4; gesegnet wird deine Leibesfrucht – gesegnet deine Viehzucht, dein Rind- dein Schaf- dein Ziegenvieh wird fruchtbar seyn, nach Michael. Übersetz. In diesem Verstande wird es in der anständigen Schreibart nur noch von Kindern, besonders von ungebornen Kindern gebraucht. Die Frucht im Mutterleibe. Die Leibesfrucht. Die erste Leibesfrucht. Eine unzeitige Frucht gebären. Sich die Frucht abtreiben. (b) Im gemeinen Leben und der vertraulichen Sprechart gebraucht man das Diminutivum von einem leichtfertigen ungerathenen jungen Menschen. Er ist ein schönes Früchtchen geworden, der Lelio, Less. So würde meine Tochter ein feines Früchtchen werden, Weiße. Im Oberdeutschen Früchtlein. 3) Der Ertrag, die Einkünfte einer Sache, am häufigsten im Oberdeutschen. Die Früchte eines Capitals, die Zinsen. Die Früchte eines Landgutes, der Ertrag. 4) * Ein jedes Werk, alles was hervor gebracht wird, so wohl im guten als bösen Verstande; in welcher Bedeutung es doch im Hochdeutschen veraltet ist, ob es gleich in der Deutschen Bibel sehr häufig ist. Viel Gutes kommt einem durch die Frucht des Mundes, Sprichw. 12, 14. Ein Mann – wird gesättiget von der Frucht seiner Lippen, Kap. 18, 20. Sie wird gerühmet werden von den Früchten ihrer Hände, Kap. 31, 31. So auch die Frucht des Thuns, der Gerechtigkeit, der Gottlosen, der Gerechten, Früchte der Buße u.s.f. 5) Die Folgen einer Handlung oder Gesinnung. (a) Die guten Folgen, der Nutzen. Frucht schaffen, Nutzen bringen. Frucht aus etwas schöpfen. Das ist die Frucht seines Fleißes, seines Gehorsams. Der Hunger ist eine Frucht der Mäßigkeit. (b) Ironisch auch von nachtheiligen Folgen. Das ist die Frucht deiner Bosheit, deines Ungehorsams.

Anm. In allen diesen Bedeutungen, besonders aber der eigentlichen, lautet dieses Wort, im Tatian Fruht, im Dän. Frugt, im Schwed. Frukt, im Wallis. Ffrwyth, im Engl. Fruit, im Franz. Fruit, im Pohln. Frukta, im Wallachischen Phruttu, im Albanischen Phriut, im Lat. Fructus, Fruges. Mit veränderten Nachsylben gehöret auch das alte Fromma, Frucht, (S. das Frommen) das Lat. frui, genießen, das Schwed. Frö, Frucht, Same, das Gothische Fraiv und Isländ. Friof, der Same, und das Latein. Frumentum hierher. Das Stammwort von allen ist vielleicht das alte bären, tragen, ferre, S. Bahre. Schon im Hebr. ist ברא fruchtbar, und פרי der Samen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 325-326.
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