Gärben

[413] Gärben, verb. reg. act. zubereiten, zurichten; in welcher allgemeinen Bedeutung es im Hochdeutschen veraltet ist, wo man es nur noch in einigen besondern Fällen gebraucht. 1) Von der Zubereitung der rohen Häute durch beitzende Mittel, welches eine Beschäftigung verschiedener Leder- und Fellbereiter, besonders aber der Gärber ist. Das Leder gärben. Häute, Felle mit Kalk, mit Alaun, mit Lohe gärben, welches auch selbige gar machen genannt wird. Figürlich ist jemanden gärben, oder ihm die Haut, den Buckel gärben, in den niedrigen Sprecharten, ihn wacker ausprügeln. Sie (die Heiden) wurden all gegerbet, daß ihnen geschah gar weh; mit Blut ward da geferbet u.s.f. heißt es schon in dem Heldenbuche, S. 193. S. Gärber. 2) Bey verschiedenen Metallarbeitern, ein Metall glatt und glänzend machen, es poliren, bruniren. Eine Kupferplatte gärben, bey den Kupferstechern. S. Gärbestahl. 3) In den Stahlhütten wird der rohe und durch das Schmelzen zubereitete Stahl gegärbt, wenn er durch mehrmaliges Glühen und Zertheilen in kleinere Stücke in reinen Stahl verwandelt wird, welches nach einer verderbten Aussprache an einigen Orten auch würben heißt. 4) In einigen Gegenden ist das Gärben auch eine Art der Zubereitung des Speltes auf der Mühle, da derselbe nicht gemahlen, sondern das Korn ganz aus den Hülsen heraus gedrücket wird. S. Gärbemühle.

Das Hauptwort die Gärbung ist nicht üblich.

Anm. So fern dieses Wort besonders von der Zubereitung des Leders gebraucht wird, lautet es im Nieders. garven, im Angels. gearwian, im Dän. garve, im Schwed. garfwa, im Pohln. garbuie. In der allgemeinen Bedeutung des Bereitens, Zubereitens, kommt es in den ältesten Schriftstellern sehr häufig vor. Bey dem Kero lautet es in derselben karauuen, im Isidor chigarauuan, garuuan, bey dem Notker gareuuin, bey dem Ottfried garauuan, der statt dessen auch das Zeitwort garan, Dän. giöre, Schwed. göra, machen, verfertigen, hat, S. Gar. Garetun sie sin muaz, sie bereiteten ihm die Mahlzeit. Sich gärben, kommt für sich ankleiden, sich schmücken, in den mittlern Zeiten, und unter andern in dem Schwabenspiegel mehrmals vor; S. Gärbekammer. Gigeruua für Politur, Polirung, findet sich schon in dem alten Gedichte auf den heil. Anno. In allen diesen Fällen stammet es von gar her, welches in einigen alten Mundarten auch garw, garb lautet. S. dasselbe. Das mittlere Lat. garnire, das Franz. garnir, und Ital. guarnire, zubereiten, anordnen u.s.f. wird selbst von dem Du Fresne von unserm garen, gärben, abgeleitet. Im mittlern Lateine bedeutet Affactia das Gärben des Leders, und die Werkstätte des Gärbers, affactare das Leder gärben, und Affactator einen Gärber, gleichfalls von dem allgemeinern Worte facere, machen. Die Niedersachsen gebrauchen auf ähnliche Art von der Zubereitung des Leders auch töwwen, tauen;[413] denn taujan ist bey dem Ulphilas gleichfalls machen. Das Lat. Corium, Leder, Franz. Cuir, im Gascognischen Ker und Quer, scheinet zu unserm gar und gärben zu gehören. Übrigens gehet dieses Zeitwort in einigen Gegenden irregulär; gegorben, für gegärbt. Gemeiniglich schreibt man es mit seinen Ableitungen und Zusammensetzungen im Hochdeutschen mit einem e, gerben; welches sich entschuldigen lässet, weil ä und ê in tausend andern Fällen mit einander abwechseln. Ich habe das ä vorgezogen, um es seinem Stammworte so nahe als möglich zu behalten.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 413-414.
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