Gemüth, das

[556] Das Gemüth, des -es, plur. die -er, die Seele, in Ansehung der Begierden und des Willens, so wie sie in Ansehung des Verstandes und der Vernunft oft der Geist genannt wird. Sein ganzes Gemüth auf etwas richten, sein ganzes Begehrungsvermögen. Ein weibisches, ein feiges, ein hohes, ein niederträchtiges, ein knechtisches Gemüth. Ein gutes Gemüth, in Ansehung seiner Gesinnung gegen andere, S. Gut. Ein böses oder boshaftiges Gemüth. Sein Gemüth gegen jemanden ändern, seine Gesinnung. Sein Gemüth erquicken, aufmuntern. Ein niedergeschlagenes Gemüth aufrichten. Sein Gemüth zerstreuen. Furchtsam von Gemüth seyn, ein furchtsames Gemüth haben. Eine Wahrheit seinem Gemüthe einprägen, so daß sie zugleich einen Einfluß auf den Willen habe. Die Gegenwart des Gemüthes, die Gegenwart des Geistes, so fern sie nicht durch Begierden und Leidenschaften gehindert wird. Einem etwas zu Gemüthe führen, durch Vorstellung einer Sache sein Begehrungsvermögen zu rühren, seinen Willen zu lenken suchen. Sich etwas zu Gemüthe ziehen, anhaltenden Kummer darüber empfinden. Wer sich alles zu Gemüthe ziehet, wird vor der Zeit grau, Gell. Der Plural wird nur in so fern gebraucht, als dieses Vermögen in mehrern Menschen angetroffen wird, da es denn oft für den ganzen Menschen steht. Der Stolz schleicht sich in die besten und edelsten Gemüther ein, Gell. Die R.A. sich ein Stück Brot, eine Bouteille Wein zu Gemüthe führen, für, sie zu sich nehmen, ist ein niedriger Scherz; wenn sie nicht von dem Nieders. Gemöte, Begegnung, und möten, entgegen kommen, herstammet.

Anm. Dieses Wort lautet in Oberschwaben Gemüat, in Schlesien Gemütte, in Niedersachsen Gemöth, im Dän. Gemyt, im Angels. Gemynd, im Engl. Mind, bey dem Kero und Ottfried noch thaz Muat, in welchem letztern Gimuato Gnade, und gimuati gnädig, leutselig, angenehm, bedeutet. S. Muth und Herz.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 556.
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