Heben

[1042] Hêben, verb. irreg. act. Imperf. ich hob, (Oberd. hub und hebte;) Conjunct. ich höbe, auch wohl noch hübe; Mittelw. gehoben, (Oberd. gehaben und gehebt;) in die Höhe bewegen, von der Oberfläche der Erde entfernen.

1. Eigentlich. Die Last ist so schwer, ich kann sie nicht heben. Wer den Stein nicht heben kann, der muß ihn fortwälzen. Der Wind hebt den Staub, wenn er ihn aufwärts treibet. Die Wage hebt tausend Pfund. Die Hand gen Himmel, die Augen in die Höhe, das Haupt empor heben. Mein Herz hebt sich mühsam unter einer drückenden Last, Sonnenf. Schmachtende Seufzer hoben die schwellende Brust. Jemanden auf den Tisch, auf das Pferd heben. Jemanden vom Pferde, aus dem Wagen, aus dem Bette heben. Jemanden in den Himmel heben, figürlich, ihm außerordentliche Lobeserhebungen beylegen, S. Erheben.

2. Figürlich. 1) Von verschiedenen Handlungen, welche mit einem eigentlichen Heben oder Aufheben verbunden sind. Einen Schatz heben, ihn ausgraben. So auch, einen Stein heben. Einen Graben heben, d.i. reinigen, ausschlämmen, von neuen aufgraben. Ein Kind aus der Taufe heben, dessen Pathe seyn; im mittlern Lat. Levare de sacro fonte. Bey[1042] den Jägern hebt der Wolf oder Fuchs die Lockspeise, wenn er sie frißt. Jemanden aus dem Sattel heben, eigentlich, ihn mit der Lanze von dem Pferde stoßen, eine von den ehemahligen Turnieren entlehnte R.A. figürlich, jemanden überlegen seyn, ihn aus dem Besitze eines Gutes oder Vortheiles treiben. Ein Haus heben, in verschiedenen Hoch- und Oberdeutschen Gegenden, das Zimmerwerk aufsetzen und zusammen fügen; im Nieders. richten, S. Hebemahl. 2) * Zur Hebe bringen, d.i. mit Aufhebung darbringen, besonders Gott zum Opfer bringen; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung, welche noch in der Deutschen Bibel vorkommt. Desselben Speisopfer heben zum Gedächtniß, 3 Mos. 2, 9. Alles Fett des Sündopfers soll er heben, Kap. 4, 8, 19. Alles Goldes Hebe, das sie dem Herrn huben, 4 Mos. 31, 52. S. Hebe. 3) Einnehmen, in Empfang nehmen, von Einkünften, Abgaben und Geldsummen. Geschoß und Steuern heben. S. Hebung. Im mittlern Lat. levare, elevare, Franz. lever. Geld oder Gelder heben, zu sich nehmen, in Empfang nehmen. Das Geld ist schon von einem andern gehoben, d.i. in Empfang genommen worden. Daher die noch bey den Handwerkern übliche R.A. mit einem Handwerke heben und legen, dessen sämmtliche Gebräuche beobachten, sich gewisser Maßen zu demselben bekennen; eigentlich, gemeinschaftlich einnehmen und ausgeben, seinen Beytrag an Gelde mit demselben geben, und solchen auch gemeinschaftlich mit demselben genießen. Im mittlern Lat. wurden die Eingebornen Unterthanen eines Herren Levantes et cubantes, Franz. Levans et couchans, genannt, zum Unterschiede von den Albanis oder Fremden. 4) * Aufstehen und sich weg begeben, als ein Reciprocum; ein im Hochdeutschen veralteter Gebrauch. Hebet euch aus dieser Gemeine, 4 Mos. 16, 45. Nun hebe dich an deinen Ort, Kap. 24, 11. Hebe dich entweder zur Rechten oder zur Linken, 2 Sam. 2, 21. Hebe dich weg von mir, Satan! Matth. 4, 10. 5) * Entstehen, als ein Reciprocum; eine im Hochdeutschen gleichfalls veraltete Bedeutung, wofür sich erheben üblicher ist. Daselbst hub sich ein groß Freudengeschrey, Ezech. 23, 42. Und hub sich ein groß Ungewitter auf dem Meere, Jon. 1, 4. 6) Wegschaffen, aufhören machen, endigen; nur in einigen Fällen. Einen Streit heben, endigen. Eine Krankheit, einen Anstoß heben, wegschaffen. Eines Furcht, eines Kummer heben.

Einen Zweifel heben, auflösen. Einen Einwurf heben, zeigen, daß er ungegründet sey. Keine Irrthümer sind schwerer zu heben, als die ihren Schutz in dem natürlichen Charakter unsers Geistes finden, Gell. Das Lat. levare und elevare, das Franz. lever und Schwed. haefwa werden auf ähnliche Art gebraucht. 7) Hervor stechend machen, machen, daß eine Sache deutlicher, merklicher in die Sinne falle oder lebhafter empfunden werde. Durch starke Schatten um die Figuren, werden diese gehoben. Der Mahler hebt einen Gegenstand, wenn er einige Pinselstöße mit hellen oder glänzenden Farben darauf thut. Plötzlich hob das feinste Roth die Weiße ihrer Haut. Sie hatte keine Schminke gesparet, ihre Gesichtsfarbe zu heben. 8) Ehre, Ansehen, Vermögen ertheilen. Jemanden heben. Sich heben, zu Ansehen, Gewalt oder Vermögen gelangen. S. auch Erheben.

Daher die Hebung, S. solches hernach besonders.

Anm. Die Oberdeutsche Form, Imperf. hub, Mittelw. gehaben und gehebt, kommt noch in der Deutschen Bibel vor. Das Land darüber ich meine Hand gehaben, 2 Mos. 6, 8, wofür 4 Mos. 14, 30 gehebt stehet. S. Erhaben. Dieses alte Zeitwort lautet bey dem Ulphilas hafjan, bey dem Kero heffan, bey dem Ottfried heffen, und im Imperf. huob, bey[1043] dem Übersetzer Isidors hepfan, (S. Hupfen,) bey dem Winsbeck haben, im Angels. heavian, im Nieders. heven, im Engl. to heave, im Dän. häve, im Schwed. haefwa, im Wend. hibam und gibam. Es stammet von dem alten ha, hoch, her, von welchem mit veränderten Ableitungslauten auch Haupt, Hübel, Hügel, Giebel, Hefen, Hüpfen und hundert andere herkommen. Das Nieders. Heven, der Himmel, Angels. Heofenan, Engl. Heaven, bestätiget diese Ableitung, so wie das Nieders. hevig, bey dem Ottfried hevig, groß, und figürlich auch schwer, wichtig, S. Heftig und Erheblich. Im Oberdeutschen bedeutet heben nicht nur haben, besitzen, sondern auch halten; von welchen im Hochdeutschen ganz ungewöhnlichen Bedeutungen Frisch sehr weitläuftig handelt. Übrigens ist für heben im Nieders. auch hissen, (Franz. hausser,) tillen, (Lat. tollere, delere, S. Tilgen,) ingleichen lüften und lichten, (Frequentativa von levare,) üblich.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 1042-1044.
Lizenz:
Faksimiles:
1042 | 1043 | 1044
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika