Laster, das

[1919] Das Laster, des -s, plur. ut nom. sing. 1) * Eine jede Verstümmelung oder grobe körperliche Verletzung; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung, in welcher Läster noch im Schwed. vorkommt, wo auch lätza verletzen ist. Im gemeinen Leben gebraucht man noch das Zeitwort zerlästern in dieser Bedeutung, so wie auch die letzte Hälfte des Zeitwortes verletzen, laedere, hierher gehöret. S. Last 1. 2) * Eine Beleidigung, und in engerer Bedeutung, Beschimpfung, Beleidigung der Ehre, wie auch im leidenden Verstande, Schande, Schimpf; eine gleichfalls veraltete Bedeutung, von welcher indessen noch lästern abstammet. Einem etwas zu Laster thun, Schwabensp. Kap. 173, zum Schimpfe. Einem weder Laster noch Leid thun, Königshoven.


Die Juden, so darum den Haß und Laster tragen

Durch alles Christen Reich,

Opitz.


[1919] Im gemeinen Leben einiger Gegenden gebraucht man das Wort Laster als ein niedriges Schimpfwort auf eine schändliche Person oder verächtliches Ding. S. Lasterstein. 3) * Schaden, Nachtheil; welche Bedeutung gleichfalls veraltet ist.


Ich wil diu seldenhaften wib

Niht biten wan des einen

Das si mir sin genedig so

Das an ir laster si,

Walther von Klingen;


ohne ihren Schaden. 4) * Ein Verbrechen, eine grobe Übertretung des Gesetzes; schon bey dem Ottfried und im Tatian Lastar. Wenn jemand ein Weib nimmt, und ihre Mutter dazu, der hat ein Laster verwirkt, 3 Mos. 20, 4. Da ihr mußtet eure Laster und Greuel tragen, Ezech. 16, 58. Um drey und vier Laster willen der Stadt Zor will ich ihrer nicht schonen, Amos 1, 9, 11, 13. Auch in dieser Bedeutung kennet man es im Hochdeutschen nur noch in dem Ausdrucke das Laster der beleidigten Majestät, wofür doch auch das Verbrechen der beleidigten Majestät üblicher ist. 5) In der engsten und gewöhnlichsten Bedeutung, die thätige Neigung ein Gesetz wissentlich zu übertreten; ingleichen die Fertigkeit dieser Übertretung. Im gemeinen Leben pflegt man nur solche thätige Neigungen, deren Ausbruch mit einem besondern Grade äußerer Schande verknüpft ist, Laster zu nennen. Allein in der Sittenlehre nimmt man es in dem weitesten Umfange der Bedeutung, auch von solchen thätigen Neigungen dieser Art, welche gemeiniglich nicht von der öffentlichen Schande (welches die nächste Bedeutung dieses Wortes ist) gebrandmarket werden. Ein Laster an sich haben. Das Laster der Trunkenheit, der Hurerey, des Fluchens, des Ungehorsams u.s.f. In Laster fallen. Den Lastern ergeben seyn. Wo es figürlich zuweilen im Singular anstatt des Plurals gebraucht wird. Das Laster fliehen, die Laster. Ingleichen anstatt der lasterhaften Person. Das Laster scheut die Ewigkeit, weil es genöthigt ist, einen Gott knechtisch zu fürchten, Gell.

Anm. Es ist sehr wahrscheinlich, daß dieses Wort vermittelst der Endsylbe er von Last in der ersten Bedeutung, oder vielmehr von dem veralteten Zeitwort lästen, lasten, letzen, verletzen, laedere, abstammet, daher denn die allgemeine Bedeutung einer Verletzung und damit verknüpften Beschimpfung sehr leicht zu erklären ist. Notker gebraucht Lastir auch für Betrug.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 1919-1920.
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