Lauter

[1949] Lauter, -er, -ste, adj. et adv. 1. Eigentlich. 1) * Glänzend, hell; eine im Hochdeutschen ungewöhnlich gewordene Bedeutung, welche aber noch im Oberdeutschen gangbar ist. Der Spiegel ist nicht lauter. Ein lauteres (helles) Glas. Der Himmel ist lauter, hell. 2) In gewöhnlicherm Verstande, unvermischt, mit keinem geringern Zusatze vermischt, als eine besondere Art dessen, was man rein zu nennen pflegt. Das Wasser ist nicht lauter. Lauteres Gold, reines, unverfälschtes. Lauterer Honig, gereinigter. Obgleich auch diese Bedeutung im Oberdeutschen am gangbarsten ist, so kommt sie doch in der edlen und anständigen Schreibart der Hochdeutschen häufig genug vor. Lauterer Wein ist in den Rheinischen Weinländern abgezogener Wein ohne Hefen, der in Niedersachsen klinkschön genannt wird. Der lautere Stall der Pferde, wenn das Wasser, so wie es von dem Pferde getrunken worden, durch den Harn wieder abgehet; das Pferd stallet lauter, S. Lauterstall.

2. Figürlich. 1) In moralischem Verstande, wo es überhaupt so viel, als ohne geringern, schlechtern Zusatz bedeutet, aber doch in manchen Fällen allerley Nebenbegriffe bekommt. Es ist die lautere Wahrheit, ohne allen Zusatz von Unwahrheit. Es ist mein lauterer Ernst, mein völliger Ernst. Eine lautere Liebe, ohne alle unrechtmäßige Nebenabsichten. Seine Absichten sind nicht lauter. Lautere Glaubenslehren, in der Dogmatik, purae, welche nur allein aus der nähern Offenbahrung begreiflich und erweislich sind. Auf daß ihr seyd lauter und unanstößig, Phil. 1, 10, von Sünden und Fehlern frey. Die Rede des Herrn ist lauter, wie durchläutert Silber, Ps. 12, 7. 2) In welchem Verstande es auch als ein Intensivum gebraucht wird, anzudeuten, daß ein Subject das Prädicat, welches das folgende Hauptwort bezeichnet, ganz und völlig habe, mit Ausschließung alles andern. Und zwar zuweilen als ein Beywort, doch ohne Comparation. So wollen wir uns denn aus lauter Gehorsam würgen lassen? Ein holder Knabe, er ist die lautere Natur, Engel. Wo man es im gemeinen Leben oft noch mit dem pur verstärket. Es ist pur lauterer Betrug. Am häufigsten aber in Gestalt eines Nebenwortes, welches doch seine Stelle vor dem Hauptworte bekommt, wo es sich am häufigsten durch nichts als erklären lässet. Es ist lauter unnützes Geschwätz. Lauter Lügen vorbringen. Es sind lauter Erdichtungen. Die Franzosen treiben im mittelländischen Meere lauter Activ-Handel. Lauter Wasser trinken. Lauter Glück haben. Es ist lauter Leben an ihm. O seht, ein großer Topf, von lauter Golde voll, Gell. Zuweilen auch durch ganz. Sie war lauter Freundlichkeit. Er ward lauter Feuer im Gesicht. Ingleichen durch all. Es waren ihrer zehen, lauter rechtschaffene Männer. Besonders im Oberdeutschen. Lauter zu deinem Besten, alles zu deinem Besten. Es ist nicht lauter Gold was gleißt.[1949]

Anm. Als ein Beywort schon im Isidor hlutro, bey dem Ottfried lutar, im Nieders. luter, im Dän. und Schwed. lutter, im Angels. hluter, im Wallis. lathr. Es gehöret zu dem Geschlechte der Wörter Licht, leuchten, glau, Glatze, gleißen, der letzten Hälfte des Wortes Antlitz, Blitz u.s.f. und bedeutet eigentlich hell.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 1949-1950.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: