Meister, der

[165] Der Meister, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Meisterinn, ein altes Wort, welches in folgenden Bedeutungen vorkommt.

1. Überhaupt, der vornehmste unter mehrern Einer Art, der Vorgesetzte; eine nur noch in einer großen Menge von Zusammensetzungen übliche Bedeutung, wo es Vorgesetzte von allen Arten des Ranges und der Würde bedeutet. Dergleichen sind, Hofmeister, Forstmeister, Jägermeister, Feldzeugmeister, Rittmeister, Bürgermeister, Baumeister, Bettmeister, Brunnenmeister, Büchsenmeister, Capell-Meister, Küchenmeister, Proviant-Meister,[165] Kellermeister, Münzmeister, Schulmeister, Mauermeister, Postmeister, Schatzmeister, Bothenmeister, Zahlmeister, und hundert andere mehr, wo es bald einen Vorgesetzten mehrerer Personen Einer Art, bald aber auch gewisser Sachen bezeichnet. Für sich allein ist es in dieser Bedeutung, wenigstens in der anständigen Schreibart, veraltet. Bey dem Willeram heißt die vornehmste Kirche unter mehrern, Meisterinna. Nur der Abdecker oder Feldmeister wird an einigen Orten noch Meister schlechthin genannt, S. Meisterey.

2. In engerer Bedeutung.

1) Der vornehmste der Macht nach, der Herr, der Macht und Stärke nach, Schwed. Mestare; eine ihrem ganzen Umfange nach gleichfalls veraltete Bedeutung. Jemanden für seinen Meister erkennen, dessen überlegene Stärke einräumen; im gemeinen Leben. In der vertraulichen Sprechart ist diese Bedeutung, nur noch in einigen Arten der Ausdrücke üblich, wo es im männlichen Geschlechte allein von beyden Geschlechtern gebraucht wird, und im Singular am üblichsten ist. Sich von etwas Meister machen, ohne Artikel, sich dessen bemeistern. Die Feinde haben sich von der Stadt Meister gemacht. Meister von etwas seyn, es in seiner Gewalt haben. Den Meister spielen, mit überlegener Macht wirken. Die Russen spielten in dem letzten Türkenkriege überall den Meister. Seiner selbst nicht Meister seyn, sich nicht in seiner Gewalt haben, gleichfalls ohne Artikel. Cholerische Gemüther sind ihrer selbst selten Meister. Dorinde ist niemahls über ihre Begierden Meister.

2) Den Kenntnissen, und besonders der Geschicklichkeit nach. (a) Überhaupt, wo es gleichfalls nur noch in einigen Fällen üblich ist. Einen großen Künstler, einen in seiner Wissenschaft vorzüglich erfahrnen Mann, pflegt man oft einen großen Meister, einen Meister in seiner Kunst, in seinem Fache, in seiner Wissenschaft, und wenn es eine Person weiblichen Geschlechtes ist, eine Meisterinn zu nennen, ohne daß diesem Worte hier etwas von dem Verächtlichen der folgenden Bedeutung eines Handwerksmeisters anklebte. Die Meisterinn der Lieder, heißt die Nachtigall mehrmahls bey den Dichtern. Ehedem pflegte man auch die Doctores und Magistros auf Universitäten im Deutschen nur Meister zu nennen, welche Bedeutung aber veraltet ist. Meister Fuchs, heißt der Fuchs noch im Scherze wegen seiner überlegenen List. (b) In engerer Bedeutung. (α) Ein Künstler, besonders ein Künstler von vorzüglicher Geschicklichkeit. Thubalkain, der Meister in allerley Erz und Eisenwerk, 1 Mos. 4, 22. Der war ein Meister in Erz, 1 Kön. 7, 14. Wie zwo Spangen, die des Meisters Hand gemacht hat, Hohel. 7, 1. Im Hochdeutschen ist es auch hier veraltet, außer wenn es in der vorigen Bedeutung gebraucht wird, einen Künstler von vorzüglicher Geschicklichkeit zu bezeichnen. (β) Ein Handwerker, welcher sein Handwerk gehörig erlernet, und sich das Recht erworben hat, Gesellen und Lehrlinge halten zu dürfen, entweder wegen seiner überlegenen Erfahrung, oder auch in der folgenden Bedeutung, so fern er dem Lehrlinge entgegen gesetzet wird. Dessen Ehegattinn die Meisterinn. Es wird in dieser Bedeutung, welche überhaupt dem ganzen Worte einen niedrigen Nebenbegriff verursacht hat, nur von den eigentlichen Handwerkern gebraucht, dagegen bey Künstlern und andern ähnlichen Lebensarten die Ausdrücke Principal, und in Beziehung auf den Lehrling, Lehrherr u.s.f. üblich sind. Meister werden, sich auf die gebräuchliche Art das Recht erwerben, ein Handwerk öffentlich treiben und Gesellen und Lehrlinge halten zu dürfen. Der Dorfmeister, ein Handwerksmeister auf einem Dorfe, zum Unterschiede von einem Stadtmeister. Im Franz. heißt daher ein Handwerk und in weiterer Bedeutung eine jede Hantirung Metier, ehedem Mestier, im Ital. Mestiere. (γ) Ein Lehrer, im[166] Gegensatze des Schülers; der Lehrmeister. Der Herr wird ausrotten, beyde Meister und Schüler, Malach. 2, 12. Der Jünger ist nicht über seinen Meister, Matth. 10, 24. Ihr sollt euch nicht lassen Meister nennen, Matth. 23, 10. Bist du ein Meister in Israel? Joh. 3, 10. Vermuthlich hat man es um der vorigen Bedeutung willen auch in diesem Verstande veralten lassen, denn wenn noch jetzt ein Schüler seinen Lehrer seinen Meister nennet, so geschiehet es nur noch im vertraulichen Scherze. Doch gebraucht man es noch in einigen Zusammensetzungen von solchen Personen, welche in gewissen freyen Künsten Unterricht ertheilen. Dergleichen sind Sprachmeister, Rechenmeister, Zeichenmeister Tanzmeister, Exercitien-Meister, Schreibemeister u.s.f. Wenn es von Künstlern, im Gegensatze des Schülers, zuweilen auch noch außer der Zusammensetzung gebraucht wird, z.B. in die Hände eines schlechten Meisters fallen, so scheinet es hier vielmehr die allgemeinere Bedeutung eines Kunsterfahrnen zu haben.

3. In weiterer Bedeutung, derjenige, welcher ein Werk hervor gebracht hat, im Gegensatze des Werkes; so wohl um der überlegenen Kenntniß und Geschicklichkeit, als auch um der überlegenen Gewalt willen. Als wenn ein Werk spräche von seinem Meister: er hat mich nicht gemacht, Es. 29, 16. Das Werk lobet den Meister, Sir. 9, 24.

Anm. In den meisten der obigen Bedeutungen schon seit des Kero Zeiten Meistar, im Engl. Master, im Schwed. Mestare, im Isländ. Meistare, im mittlern Lat. Meistralis, im Wallis. Meistri, im Wend. Mojster, im Französ. Maitre, im Ital. Maestro, im Wallach. Mastoru, und Alban. Mjestar. Es ist wegen des hohen Alters und weiten Umfanges dieses Wortes nicht wahrscheinlich, daß es, wie man gemeiniglich behauptet, aus dem Lat. Magister entlehnet worden; glaublicher aber, daß es ein gleichzeitiger Seitenverwandter desselben ist. So wie Meier, von dem alten Positivo meh, mei, groß, viel, vornehm, und der Ableitungssylbe -er, eine Person männlichen Geschlechtes, gebildet ist, so ist auch Meister sehr regelmäßig aus dem Superlativo meist und eben dieser Ableitungssylbe zusammen gesetzet. S. Meier und das verwandte Macht.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 165-167.
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