Mistel, die

[229] Die Mistel, plur. die -n, eine Pflanze, welche keine Wurzeln hat, sondern bloß auf den Zweigen anderer Bäume wächset, aus welchen sie ihre Nahrung ziehet; Viscum L. Weiße Mistel, Viscum album, welche auf den Europäischen Bäumen wächset, und nach denselben Eichenmistel, Lindenmistel, Weidenmistel, Tannenmistel, Haselmistel, Äschenmistel u.s.f. genannt wird, ob sie gleich sonst in keinem Stücke von einander unterschieden sind. Aus den Beeren dieser Mistel wird der Vogelleim bereitet. Verschiedene andere Arten, wohin auch die Erdmistel, Viscum terrestre L. gehöret, sind in Amerika zu Hause.

Anm. Im Dän. und Norweg. gleichfalls Mistel, im Engl. Mistletoe, Misletoe, im Lat. Viscum, im Griech. ἱξος; entweder wegen des zähen, leimigen, in den Beeren befindlichen Saftes, als ein Geschlechtsverwandter von 4. Matz, 4. Matte, Masse u.s.f. oder auch wegen der schon sehr alten Bemerkung, daß die Samenkörner der Mistelbeeren von den Drosseln, denen sie eine sehr angenehme Speise sind, mit ihrem Kothe auf die Bäume getragen würden, daher schon bey dem Plautus das Sprichwort vorkommt, Turdus ispe sibi malum cacat; folglich von dem folgenden Zeitworte misten. In beyden Fällen bedeutet die Ableitungssylbe -el, ein Ding, ein Subject, von welchem etwas gesagt wird. In einigen Gegenden wird unsere Europäische oder die weiße Mistel Kinster, Kenster, Afholder, Asfolter, Offolter, und wegen ihrer verworrenen Zweige auch Mahrentacken genannt, S. Mahre. In vielen Gegenden ist das Wort Mistel männlichen Geschlechtes, der Mistel, des -s, plur. ut nom. sing.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 229-230.
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