Rahm (2), der

[918] 2. Der Rahm, des -es, plur. car. ein Wort, welches besonders in einer doppelten Bedeutung gebraucht wird. 1) Der fetteste Theil der Milch, welcher sich oben auf setzet, und woraus die Butter bereitet wird, heißt in vielen Gegenden Deutschlandes der Rahm, Milchrahm. In der Schweiz heißt er Niedel, in[918] Böhmen Schmetten, von dem Slavon. Smetana, in Schlesien Saum, in Niedersachsen Flott, in Liefland und andern Gegenden Schmante, in Meißen Sahne, worunter man doch gemeiniglich nur den süßen frischen Rahm verstehet, der in Nürnberg Kern heißt, zum Unterschiede von dem Milchrahm, worunter man in Nürnberg allemahl sauren Rahm verstehet. Den Rahm von der Milch nehmen, ihn abrahmen, die Milch rahmen. In weiterer Bedeutung ist es zuweilen eine jede dickliche Substanz, welche sich von einem flüssigen Körper scheidet, und sich auf dessen Oberfläche sammelt; Weinsteinrahm, Cremor Tartari, Kalkrahm u.s.f. 2) Der Ruß, eine besonders in Niedersachsen übliche Bedeutung, wo auch der Rauchfang, welchen man in den Bauerhäusern anstatt des Schornsteines hat, Rahm genannt wird. In Franz. ist Ramoneur ein Schorsteinfeger. Indessen ist diese Bedeutung auch im Oberdeutschen nicht unbekannt, wo Rahm in weiterer Bedeutung auch Schmutz, Unsauberkeit bedeutet, in welchem Verstande es schon im Hornegk vorkommt. Daher ist daselbst rahmig rußig, und in weiterer Bedeutung, beschmutzt, ramlicht im Österr. unsauber, berahmen mit Ruß schwärzen, und in weiterer Bedeutung beschmutzen u.s.f.

Anm. In der ersten Bedeutung lautet es in Niedersachsen Room, in Franken Raum, im Angels. Ream, im Isländ. Riome, und mit vorgesetztem Gaumenlaute im Engl. Cream, im Franz. Creme, im Ital. Crema, und im Lat. Cremor, welches seine Verwandtschaft mit dem Deutschen gewiß nicht verläugnen kann. Zur zweyten Bedeutung scheinen auch der Wolfrahm und Eisenrahm der Bergleute zu gehören, welches schwarze Bergarten sind, entweder wegen ihrer Schwärze, als eine Figur von Rahm, Ruß, oder welches noch wahrscheinlicher ist, wegen ihrer lockern, blätterigen Gestalt, daher der Wolfrahm auch Lat. Spuma lupi genannt wird. Man hat daselbst auch einen Goldrahm, welcher aus kleinen Blättchen gediegenen Goldes bestehet, aber sehr selten ist. In diesem Falle, wenn Rahm eigentlich ein Blättchen bedeutete, würde es zu Rahmen, Riemen u.s.f. gehören. Beyde Bedeutungen, so wohl der Sahne, als des Rußes, ließen sich füglich von Rahmen, die Einfassung, der Rand, ableiten, zumahl, da der Milchrahm in Schlesien wirklich der Saum genannt wird. Allein es ist wahrscheinlicher, daß der Begriff der Höhe der herrschende ist. Rahm oder Ram ist ein sehr altes Wort, welches hoch und Höhe bedeutet, und mit dem Hebr. רמו, rum, hoch seyn, und Rama, die Höhe, einerley ist. Daher bedeutete Rahm ehedem auch ein Kreuz, und hramjan ist bey dem Ulphilas kreuzigen, bey dem Ottfried hohan, d.i. erhöhen. Im Nieders. ist sich rähmen sich bäumen, d.i. auf den Hinterfüßen in die Höhe heben, von Thieren. Der Milchrahm schimmet oben auf der Milch, und der Ruß steigt wegen seiner leichten Beschaffenheit gleichfalls in die Höhe. Verwandte dieser Bedeutung sind, das Schwed. ram, stark, das Griech. ρωμƞ, Stärke, unser Raum, Ausdehnung, das Nieders. Rahm, Ziel, rahmen, zielen, bey dem Ottfried raman, und andere mehr. Das im Hochdeutschen veraltete rahmen, schießen, bey dem Ottfried raman, Hebr. ramah, scheinet mehr den Begriff der Bewegung zu haben, und zu Rammeln zu gehören. In Pommern gibt es ein altes adeliges Geschlecht, Nahmens Ramin, welches daher einen Schützen bedeuten kann, so wie Ramin im Arabischen gleichfalls einen Schützen bedeutet. Eine Figur von rahmen, sich bewegen, ist das Niedersächsische rahmen, narahmen, nachsinnen, auf etwas denken oder sinnen, Rahm, ein Gedanke, Wahn, Muthmaßung, Unrahm, Argwohn, Irrthum, Verrückung u.s.f. Mehrere gleichlautende, der Abstammung nach aber verschiedene Wörter werden gelegentlich im folgenden vorkommen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 918-920.
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