Schätzen

[1375] Schätzen, verb. reg. act. welches nicht unmittelbar von Schatz abstammet, wohl aber ein Seitenverwandter von demselben ist. 1. Dafür halten, aus wahrscheinlichen Gründen urtheilen. Etliche, die uns schätzen, als wandelten wir fleischlicher Weise, 2 Cor. 10, 2. Ich schätze mich selbst noch nicht, daß ichs ergriffen habe, Phil. 3, 15. In dieser Verbindung ist es im Hochdeutschen[1375] veraltet. Man sagt nur noch, ich schätze es mir für eine Ehre u.s.f. für ich halte; ob man gleich nicht gern mehr sagt, sich etwas für eine Schande schätzen.

2. Im engern Verstande, ein Ding seiner Zahl, seinem Gewichte, seinem Werthe nach aus wahrscheinlichen Gründen bestimmen. 1) Überhaupt. Ich schätze ihn ungefähr funfzig Jahre alt. Man schätzt es nicht so hoch. Man schätzt ihn auf Eine Tonne Goldes, man glaubt, daß er so reich ist. Ich schätze das Gut auf 10.000 Thaler, glaube, daß es so viel werth ist. Das ist dem nicht gleich zu schätzen. Etwas sehr hoch schätzen, es werth, geringe schätzen, einem Dinge einen hohen, einen geringen Werth beylegen, und dieses Urtheil thätig erweisen. 2) In einigen engern Bedeutungen. (a) Hoch schätzen, hoch halten, einem Dinge einen hohen Werth beylegen, und solches thätig erweisen. Er weiß den Werth des Lebens zu schätzen, hoch zu schätzen, oder auch nur, es seinem ganzen Werthe nach zu beurtheilen. Der hassenswürdige Charakter, da man das Gute an niemanden als an sich schätzet, Gell. Das von einigen Neuern in dieser Bedeutung gebrauchte Mittelwort geschätzt, z.B. geschätzter Freund, für hoch oder werth geschätzter, hat wegen der vorstechenden Zweydeutigkeit mit der vorigen Bedeutung wenig Beyfall gefunden, ob es gleich in der dichterischen Schreibart mehrmahls vorkommt. Geschätztes Nichts der eitlen Ehre, Hall. (b) Den Werth, den Preis eines Dinges bestimmen, so daß sich der Begriff der Muthmaßlichkeit, des wahrscheinlichen Grundes verlieret; taxiren, in einigen Gegenden schatzen. Das Fleisch schätzen, den Preis bestimmen, um welchen die Fleischer dasselbe verkaufen sollen. Das Brot schätzen u.s.f. Jemanden schätzen, den Theil bestimmen, welchen er nach Maßgabe seines Alters, seines Vermögens u.s.f. zu den öffentlichen Anlagen beyzutragen hat; ihn schatzen. Luc. 2, 1. Daher die Schätzung.

Anm. Im Nieders. schatten, im Schwed. skatta, wie das vorige. Bey unsern alten Oberdeutschen Schriftstellern kommt es nicht vor, ob es gleich alles Ansehen eines alten Wortes hat. Die erste Bedeutung ist entweder der Werth, der Preis, der im Schwed. noch jetzt Skatt heißt, oder auch das Urtheilen, Meinen, dafür Halten, überhaupt. Im letztern Falle ist es eine unmittelbare Figur der Bewegung, weil alle ähnliche, ähnliche Veränderungen, des Geistes bezeichnende Wörter sich auf eben dieselbe Figur gründen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1375-1376.
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