Schanze, die

[1354] Die Schanze, plur. die -n, ein Wort, welches nach Maßgebung des Zeitwortes schanzen und dessen Stammwortes schanen, in mehrern, dem Anscheine nach sehr verschiedenen, aber doch genau verwandten Bedeutungen vorkommt.

1. * Eine jede heftige Bemühung, starke Bewegung; welche Bedeutung sich nur noch in dem Zeitworte schanzen findet, und wovon die Bedeutung eines Wurfes in dem Würfelspiele allem Ansehen nach unmittelbar abstammet. 1) Eigentlich. Im Hochdeutschen ist es zwar in dieser Bedeutung, im Ganzen genommen veraltet; allem es war doch ehedem in derselben sehr üblich. Beym Frischlin ist Schanz im Würfelspiel, ausdrücklich so viel als Wurf, Jactus. Die Schanze glückte ihm wohl, es ist ihm eine Schanze mißrathen, diese Schanze wollte ihm nicht gelingen u.s.f. in welchen bey dem Frisch befindlichen R.A. es überall so viel wie Wurf bedeutet, welche R.A. denn aber auch figürlich gebraucht wurden, in seinem Unternehmen, in seinem Versuche, glücklich seyn u.s.f.


Ist nun sach das mir nicht gerat

Gegen den Held einmal ein schantz,

Theuerd. Kap. 28.


Figürlich, ein Versuch, ein Streich.


Sie dürfen um den Rock die Schanze schlagen;


übersetzt Opitz die Stelle Ps. 22, 19; sie werfen das Loos um mein Gewand, nach Luthers Übersetzung. Ohne Zweifel rühren daher noch die figürlichen R.A. etwas in die Schanze schlagen, es wagen, es auf gut Glück dahin geben, wie ein auf ein Spiel gesetztes Geld. 2) Figürlich. (a) Das Würfelspiel, und in weiterer Bedeutung, ein jedes Spiel und dessen Zustand; Franz. Chance, ohne Zischlaut im Holländ. und Nieders. Kausse, im Schwed. skans; eine gleichfalls veraltete Bedeutung, wovon noch die in einigen Gegenden üblichen figürlichen R.A. abstammen, auf seine Schanze sehen, auf sein Spiel, seiner Sache wahrnehmen; die Schanze versehen, das Spiel, und figürlich, hintergangen werden, vernachlässigen; seine Schanze bewahren, sich nicht in das Spiel sehen lassen, auf seiner Huth seyn, wo aber auch die folgende dritte Bedeutung Statt findet. Ehedem war die Mummenschanze das Mummenspiel, d.i. eine Maskerade. Im mittlern Lateine ist Biscatia das Würfelspiel, Ital. Biscazza, Bischenza. (b) Ein jeder Zufall, er sey glücklich aber unglücklich,[1354] ein Ungefähr, ein Glücksfall oder Unglücksfall. Im Nieders. ohne Zischlaut Kans, im Engl. Chance, wo auch to chance sich zutragen ist, Ital. Cianza. Henisch erkläret Schanz ausdrücklich durch Abenteuer, Zufall, Gefahr. Wa inen eine schantz bestund, das sie ein schlacht gewünnen, in dem 1514 gedruckten Livius. Im Hochdeutschen ist es auch in dieser Bedeutung veraltet. In der Lotharingischen Provinzial-Sprache ist Dchance Glück, und Meschance Unglück. (c) Günstige Gelegenheit; ein gleichfalls veralteter Gebrauch.


So hoff ich noch er werd einmal

Übersehen die rechten Schantz,

Theuerd. Kap. 17.


Sie ist gar sehr ergrimmt, ersiehet ihre Schanze

Und schläget auf ihn zu,

Opitz.


2. * Eine Bekleidung, Bedeckung, wo es ehedem mit Schande 2 gleichbedeutend war, aber gleichfalls veraltet ist. Eine Larve kam ehedem unter dem Nahmen einer Schanze vor. Siehe auch Schanzkleid.

3. In der Befestigungskunst ist die Schanze eine jede kleine Verschanzung in Gestalt eines Vier-, Fünf- oder Sechseckes. Ital. Scanso, Engl. Sconce, Schwed. Skans, im Pohln. Szanc, im Wend. Schanza. Eine Erdschanze, wenn sie nur von Erde aufgeworfen ist. Eine Feldschanze, welche auf freyem Felde aufgeworfen wird. An manchen größern Festungen befinden sich gleichfalls mit gemauerten Gräben, Außenwerken u.s.f. versehene Schanzen, welche in andern Rücksichten Castelle, Citadellen u.s.f. heißen. Vielleicht von schanzen, graben, da es denn eigentlich ein aus ausgegrabener Erde bestehendes Festungswerk bedeuten würde, oder auch von der vorigen Bedeutung der Bedeckung. Im Ital. ist scansare retten. Er ist mein Schloß und Schanze, Opitz. In einigen Gegenden heißt auch ein jeder Wall eine Schanze.

Anm. Frisch bemerket, daß am Nieder-Rheine auch die Reißbündel, oder Faschinen, Schanzen genannt werden, wo denn Schanzen schlagen, ein solches Faschinen-Werk machen bedeutet. In der ersten Bedeutung leiten es viele aus dem Französischen her, welches wiederum aus dem Lat. Cadentia abstammen soll. Richtiger betrachtet man Chance und unser Schanze als Seitenverwandte. S. Schande zu Anfange.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1354-1355.
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