Schwärmen

[1716] Schwärmen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, welches das verworrene Geräusch nachahmet, welches unter andern auch mehrere Dinge in ihrer Bewegung machen. 1. Eigentlich, dieses verworrene Geräusch von sich geben, hervor bringen. Was für ein liebliches Sumsen schwärmt um mich her? Geßn. In engerer Bedeutung gebraucht man dieses Wort von den Bienen, wenn die Jungen mit einem verworrenen Gesumse und in einer unordentlich scheinenden Menge aus einem Stocke ziehen. Die Bienen schwärmen, werden bald schwärmen. In welchem Verstande man es auch von den alten Bienen gebraucht, wenn sie ihre Jungen auf diese Art auslassen, daher man in Niedersachsen für schwärmen auch lassen sagt. Der Stock hat noch nicht geschwärmet. 2. In engerer und figürlicher Bedeutung. 1) Rauschenden Vergnügungen und Ausschweifungen zur Ungebühr nachhängen. Die ganze Nacht schwärmen. Ein Mensch muß in seinem Leben wenigstens Ein Mahl schwärmen, ein falscher, obgleich sehr allgemeiner Grundsatz. Lärmen und schwärmen. 2) Sich ohne Ordnung und Absicht und mit einem Geräusche schnell hin und her bewegen. Fliegende Würmchen verfolgen sich unten im Grase; bald verliert sie mein Auge im grünen Schatten, dann schwärmen sie wieder im Sonnenschein, Geßn. Von einem Orte zum andern schwärmen. Auf der See herum schwärmen, im Niederdeutschen die See schäumen; im Ital. ist sciamare schwärmen. 3) Sinnlichen Vorstellungen zur Ungebühr nachhängen, sinnliche Vorstellungen zum Bestimmungsgrunde seiner Urtheile und Handlungen annehmen, zum Nachtheile deutlicher. Bey den Jägern schwärmt der Leithund, wenn er sich durch fremde sinnlichere Witterung von dem Suchen auf der Fährte abbringen läßt, z.B. wenn er ein Wild erblickt, und dadurch im Suchen irre wird. 4) In noch engerer Bedeutung, dunkele oder verworrene Vorstellungen zum Nachtheile klarer und deutlicher zum Bestimmungsgrunde seiner Urtheile und Handlungen annehmen.[1716] In diesem Verstande sagt man sehr häufig, es schwärmt jemand, oder es schwärmt in seinem Kopfe, wenn er verworrene Vorstellungen hat, und solches durch seine Urtheile und Handlungen im hohen Grade äußert. Siehe Schwärmerey. So auch das Schwärmen.

Anm. Im Nieders. swarmen, und mit einem andern Endlaute swarven, im Angels. swearmian, im Engl. to swarm, to swerve, im Schwed. svärma. Im Niederdeutschen hat man noch ein anderes sehr nahe verwandtes Wort, welches swieren, Holländ. zwieren, lautet, und schwärmen im ersten und zweyten figürlichen Verstande bedeutet. Junius leitete unser schwärmen von dem Griech. Harmonia, Wachter von συρμα, die Schleppe eines Kleides, Frisch, der den Bienenschwarm für die erste und älteste Bedeutung hielt, von Sperma her, anderer zu geschweigen. Keinem fiel ein, daß dieses Zeitwort eine sehr deutliche Onomatopöie ist, welche das surmende Geräusch vieler sich bewegender Dinge genau nachahmet, und das Stammwort des Intensivi schwirren ist, so wie es wiederum ein vermittelst des Zischlautes gebildetes Intensivum von wirren in verwirren, Wurm u.s.f. ist. Die eben gedachten von andern angegebenen Stammwörter sind indessen, obgleich auf verschiedene Art, Figuren dieser Onomatopöie.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1716-1717.
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