Sieden

[88] Sieden, verb. irregul. ich siede, du siedest, (Oberd. seudest) er siedet, (Oberd. seudet); Imperf. ich sott; Mittelw. gesotten; Imper. Siede, (Oberd. seud). Es ahmet eigentlich den zischenden Laut nach, welchen ein in eine innere Bewegung gebrachter flüssiger Körper von sich gibt, und ist in doppelter Bedeutung üblich. I. Als ein Neutrum mit dem Hülfsworte haben, diesen zischenden Laut von sich geben, und in weiterm Verstande, in der innern Bewegung befindlich seyn, mit welcher dieser Laut verbunden ist. Er macht, daß das tiefe Meer seudet (siedet) wie ein Töpfen, Hiob 41, 22. Besonders, wenn ein flüssiger Körper durch ein unter ihm oder auf allen Seiten angebrachtes Feuer zu einem solchen mit Zischen verbundenen Aufwallen gebracht wird. Das Wasser siedet, hat gesotten. Siedend heiß. Da es denn auch häufig theils von den in dem flüssigen Körper befindlichen festern Körpern, theils auch von dem Gefäße gebraucht wird. Die Fische sieden schon. Das Fleisch hat noch nicht gesotten. Der Topf, der Kessel siedet.

Sieden druckt eigentlich den zischenden Laut aus, der das Aufwallen begleitet, es wird daher eigentlich nur in solchen Fällen gebraucht, wo dieser Statt findet. Setzet man das Feuer fort, so[88] fängt der flüssige Körper an zu kochen, d.i. einen dumpfigern Laut von sich zu geben. Fische, Krebse, Eyer u.s.f. kochen daher nicht, sondern sieden nur. Indessen werden beyde Wörter sehr häufig mit einander verwechselt. Besonders pflegt man sowohl in dieser neutralen als der folgenden activen Bedeutung in der anständigen und höhern Schreibart lieber sieden als kochen zu gebauchen, welches letztere in der Sprache des gemeinen Lebens am gangbarsten ist. S. Kochen.

II. Als ein Activum, dieses zischende Aufwallen durch Hülfe des Feuers hervor bringen, und in noch weiterm und häufigerm Verstande, auf solche Art zubereiten. Fische sieden. Eyer sieden. Seife sieden. Alaun, Salpeter, Thran sieden. Salz sieden. In manchen Fällen ist doch auch in der anständigen Sprechart dafür kochen üblicher. Kaffe kochen, sagt man häufiger als Kaffe sieden. So auch das Sieden.

Anm. Bey dem Kero siudan, bey dem Ottfried sueden, im Nieders. seeden, seen, im Engl. to seeth, im Schwed. sjuda, im Hebr. זור. Es ahmet den zischenden Laut des Siedens nach, daher ζεειν im Griech. zischen, brausen, und ζυθος, Bier, eigentlich Siede, ein gesottener Trank ist. Die irreguläre Form ist schon alt; das Mittelwort lautet bereits bey dem Kero kasotan. Die ältern Schriftsteller gebrauchten es auch für schmelzen. Irsoten silber ist bey dem Notker durch das Feuer gereinigtes Silber. Siehe auch Sud.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 88-89.
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