Stärke, die

[300] Die Stärke, plur. inusit. das Abstractum von dem Bey- und Nebenwort stark, welches der Schwäche entgegen stehet.

1. Als ein eigentliches Abstractum, die Eigenschaft eines Dinges, da es stark ist, wo es in allen Bedeutungen dieses Wortes, außer der veralteten eigentlichen gebraucht wird. (1) Von dem körperlichen Umfange, besonders als ein anständiger Ausdruck für Dicke, ohne doch den Begriff eines beträchtlichen Grades der Karft auszuschließen. Die Stärke der Glieder, des Leibes. Der Baum hält 20 Zoll in der Stärke. (2) Von der Zahl und Menge. Die Stärke eines Kriegesheeres, eines Haufens, einer Famile u.s.f. (3) Von der Zeit und dem Raume; obgleich seltener. Die Stärke der Stunde, einer Meile. (4) Am häufigsten von einem beträchtlichen Grade der Kraft, oder einem beträchtlichen Grade des Vermögens, Widerstand zu überwinden, wiederum in allen den Fällen, in welchen das Beywort gangbar ist. Leibesstärke, Riesenstärke. An Stärke zunehmen. Eine große Stärke in den Armen haben. Die Stärke der Seele, des Gedächtnisses, des Verstandes, der Beurtheilungskraft u.s.f. Laß diesen Verlust deine Stärke nicht beugen, die Stärke deiner Seele. Die Gelassenheit ziehet ihre Stärke aus dem Bewußtseyn höherer Güter, als die sind, die wir entbehren, Gell. Ingleichen, die Stärke einer Festung, einer Mauer, eines Zeuges, des Weines u.s.f. Da es denn (5) eben so oft auch als eine bloße Intension, einen hohen Grad der innern Kraft eines Dinges ausdruckt. Die Stärke der Leidenschaft, des Schmerzens, des Verlustes u.s.f.

2. Der Ort, wo ein Ding seine vorzügliche Stärke hat, auch im Gegensatze der Schwäche. So wird bey vielen Künstlern und Handwerkern der dickste und stärkste Theil eines Dinges dessen Stärke genannt. An den Degen- und Rappierklingen heißt in der Fechtkunst der Theil von dem Stichblatte bis zur Mitte der Klinge, die Stärke, weil die Klinge hier mit der größten Kraft wirket, welcher Theil denn wieder in die ganze und halbe Stärke getheilet wird. Auch in der Ringekunst hat man sowohl am Kopfe, als an den Armen, und dem Leibe die ganze und halbe Stärke.

3. Was stark, d.i. steif macht, doch nur in einigen Fällen. So ist die Stärke, oder weiße Stärke das von seinen alkalischen Theilen geschiedene und getrocknete Weizen- oder Dinkelmehl, weil man die Wäsche damit zu stärken, d.i. steif zu machen pflegt; Engl. Starch, Schwed. Stärkelse, Nieders. Stievels, Holländ. Styfsel. Im gemeinen Leben pflegt man auch die klar geriebene blaue Smalte blaue Stärke (Nieders. Blauels) zu nennen, weil die Wäscherinnen sie unter die weiße Stärke zu mengen pflegen, der gestreiften Wäsche dadurch ein bläuliches Ansehen zu geben.

Anm. Als ein Abstractum schon bey dem Notker Starchi, im Schwabenspiegel Sterke für Tapferkeit, im Schwed. Styrka, im Griech. σηριγμά.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 300.
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