Stich, der

[365] Der Stích, des -es, plur. die -e, Diminut. das Stichlein, von dem Zeitworte stechen. 1. So fern dasselbe eine schnelle Bewegung bezeichnet hat, wovon man noch sagt, in See stechen, angestochen kommen, ist dieses Hauptwort ohne Plural nur noch in der im gemeinen Leben üblichen Redensart üblich, eine Person oder Sache im Stiche lassen, sie verlassen, vermuthlich eigentlich, sie im Laufe, in der Bewegung, auf dem Wege zurücklassen. Der Hirte ließ die Herd im Stich, Lichtw. Der Dieb entfloh, und ließ einen Theil der Beute im Stiche.

2. Von stechen, eine Öffnung oder Wunde mit einem spitzigen Werkzeuge machen.

(1) Die Handlung des Stechens mit Einschluß der dadurch verursachten Wunde. Auf den Stich fechten. Auf den Hieb und auf den Stich. Jemanden einen Stich, zwey, drey Stiche geben, beybringen, ihn so oft stechen. Die Wunde ist von einem Stiche. Einen Stich in den Leib haben, davon tragen, bekommen. Das ist ein Stich ins Herz, figürlich, das schmerzt plötzlich, und empfindlich. Jedes Wort ist ein Stich durch mein Herz, Weiße. Welche Stiche fühlt mein Herz, wenn ich sie sehe! Ein Stich, der nicht blutet, eine beißende Rede. Ein Stich mit der Nähnadel im Nähen, einen, zwey, drey Stiche thun, nicht geben. Das Leder, der Zeug, hält nicht Stich, wenn beydes im Nähen ausreißt. Vermuthlich rühret daher die R.A. Stich halten, standhaft, dauerhaft seyn, bewährt befunden werden, und dessen Gegensatz, nicht Stich halten. Die Soldaten halten nicht Stich, wenn sie nicht Stand halten, sondern ausreißen. Die Lügen hält nicht Stich, hat keinen Bestand, keine Dauer, gewähret keine wahre Hülfe. Alle deine Beweisgründe halten nicht Stich, beweisen bey näherer Untersuchung nicht, was sie beweisen sollen. Hier hält kein Zweifel Stich. Mir soll er gewiß Stich halten, Stand halten, nicht entwischen. Figürlich ist der Stich in einigen Gegenden, besonders Niedersachsens auch so viel als ein Punct. Nicht einen Stich sehen, nichts sehen können. Es ist stichdunkel, in einigen Gegenden, wofür man in andern stockfinster sagt. Im Niedersächsischen hat man auch das Nebenwort stick, für auf den Punct, genau. Überhaupt ist das Wort Stich in allen den Fällen üblich, wo das Zeitwort eine Öffnung oder Verwundung mit einem spitzigen Werkzeuge machen bedeutet. Der Nadelstich, Flohstioch, Schlangenstich, Dolchstich u.s.f. Im Hüttenbaue ist der Stich, die Öffnung des Auges in dem Schmelzofen vermittelst eines Stiches, Siehe Stichherd, Stichofen, u.s.f. Daher über den Stich schmelzen, oder arbeiten, das Erz in einem Stichofen schmelzen, welches auch das Stichschmelzen genannt wird. Bey den Kupferstechern sind die Stiche die einzelnen Einschnitte in das Kupfer. Der Stich mit einem Grabscheite in die Erde; einen Stich in die Erde thun; ein Stich Erde, so viel Erde als man auf Ein Mahl mit dem Grabscheite aussticht. Figürlich ist der Stich in den Fischteichen die Grube, worein sich die Fische bey Ablassung des Teiches zusammen ziehen, und woraus sie nach einander[365] gefangen werden; welche Grube auch die Fischgrube, und der Auszug heißt. Man hat in den Teichen den Hauptstich nebst einigen Beystichen.

(2) Die Art und Weise zu stechen, wo der Plural nur von mehrern Arten üblich. So wird in der Nähterey die Art und Weise des Nähens mehrmals der Stich genannt. So sind der Brabantische Stich, und der Böhmische Stich besondere Arten der Nahmnätherey. So auch der Kreuzstich, Kettenstich u.s.f. Auch die Art und Weise, wie ein Kupferstecher sticht, nennt man zuweilen dessen Stich.

(3) Was gestochen wird, oder gestochen worden, am häufigsten als ein Kunstwort in einzelnen Fällen. In den Kartenspielen ist der Stich die mit einer höhern Karte auf Ein Mahl gestochenen Karten der Mitspielenden. Einen Stich machen, einnehmen. Keinen Stich bekommen. Alle Stiche machen. Drey Stiche haben. In manchen Spielen ist dafür das Wort Lese üblich. Das durch das Auge des Stichofens abgestochene flüssig gewordene Metall heißt im Hüttenbaue gleichfalls der Stich. Der Abdruck einer gestochenen Kupferplatte wird der Stich, vollständiger und häufiger aber der Kupferstich genannt. Ein schöner Stich.

(4) Der Ort, wo gestochen worden, besonders bey den Fleischern, wo der Ort am Halse der Kälber und des Rindviehes, wo selbige gemeiniglich gestochen werden, der Stich heißt. Fleisch von dem Stiche.

(5) Die Entfernung zweyer Stiche von einander, besonders bey den Schustern, wo die 26 kleinen Abtheilungen an der Maßlade Stiche heißen. Jeder Stich hält drey Linien.

(6) Das Bier, der Wein hat einen Stich, wenn sie säuerlich schmecken, anfangen sauer zu werden.

3. Von stechen, tauschen, ist ohne Plural der Stich die Handlung des Vertauschens der Waaren, der Tauschhandel. Im Stich handeln, auf dem Stich handeln, tauschweise. Stich um Stich Waare gegen Waare.

Anm. Im Nieders. Steek und Stik, im Engl. Stitch, im Poln. Sztych. S. Stechen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 365-366.
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