Stocken

[392] Stocken, verb. regul. welches mit Stock nahe verwandt und in den meisten Bedeutungen das Stammwort desselben ist, aber nur noch in einigen Fällen seines ehemaligen vermuthlich viel weitern Gebrauches üblich ist.

I. Als ein Activum, wo es zunächst von Stock gebildet zu seyn scheinet. 1. Die Tuchmacher stocken die Tücher, wenn sie selbige auf- oder zusammen rollen. Vielleicht, weil es auf einen Stock oder Stab geschiehet; wo nicht, so scheinet der Begriff der Masse, der Dicke, der herrschende zu seyn. 2. Im Oberdeutschen stockt man den Wein und andere Gewächse, wenn man Stöcke, d.i. Pfähle,[392] Stangen oder Stäbe zu denselben steckt, welches man in andern Gegenden pfählen, stängeln, stäbeln, nennet. 3. In Ausstocken bedeutet es die Stöcke oder Wurzelenden gefälleter Bäume ausrotten; in verstocken aber, hart, unempfindlich dem Gemüthe nach, machen, S. dasselbe. Im Schwedischen ist stocka gleichfalls verhärten. 4. Das Reciprocum sich stocken oder sich bestocken wird von den Gewächsen gesagt, wenn die Pflanze mehrere Stängel oder Halme treibt, welches man auch sich bestauden nennet.

II. Als ein Neutrum mit dem Hülfsworte haben. 1. Mit dem herrschenden Begriffe des Stehens, von welchem Zeitworte es hier ein Intensivum ist, und den figürlichen Nebenbegriffen sowohl der Dicke, als auch der Unbeweglichkeit. (1) Aufhören sich zu bewegen. Das Wasser stockt, wenn es nicht abfließt.


Ihm stockt sein Blut, ihm starrt das Haar,

Wiel.


Besonders figürlich. Das Geld stockt, wenn es nicht circulieret, wenn dessen Um- oder Kreislauf gehemmet ist. Stockungen in dem Umlaufe des Geldes verursachen. Die Sache stockt, will nicht fort, wird gehindert. Die Handlung stockt jetzt überall. Ingleichen unpersönlich. Es stockt mit der Sache. In welchem Verstande man auch sagt, in das Stocken oder Stecken gerathen. 2. Im Reden inne halten, weil man nicht weiß, was man sagen soll, im Reden stecken bleiben. Nach einer kleinen Vergleichung fährt er mit einem Aber fort und stockt; nun Herr Orgon, was haben sie? was stocken sie? Gell.

Er stockt, wenn man ihn fragt, zeigt ein zerstreut Gesicht, Und widerspricht sich schon, eh er zehn Worte spricht, eben ders. Aufhören sich zu bewegen und dicke werden, wo es besonders von flüssigen Körpern für gerinnen, gestehen, üblich ist. Das Blut stockt, die Milch stockt. Auch als ein Reciprocum. Die Milch stockt sich. Im Schwedischen gleichfalls stocka, im Lateinischen mit dem n, dem Begleiter der Gaumenlaute, stagnare. 2. Trockne Körper stocken, wenn sie von schädlicher Feuchtigkeit ohne Bewegung verdorben werden. Die Leinwand stockt, wenn sie an einem feuchten Orte liegt. Stockfleckig seyn, durch das Stocken Flecke bekommen haben. Ingleichen unpersönlich. Man muß die hölzernen Geschirre an einen bedeckten Ort stellen, wo es nicht stockt, d.i. nicht stocken macht.

So auch das Stocken, und in einigen Fällen die Stockung.

Anm. Schwed. stocka, Engl. to stik. Siehe Stock, Stehen, Stauen, Stauchen u.s.f.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 392-393.
Lizenz:
Faksimiles:
392 | 393
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika