Stumm

[474] Stumm, -er, -ste, adj. & adv. der Sprache beraubt, sprachlos. Stumm seyn, aus einem natürlichen Fehler nicht sprechen können. Stumm werden, ein Stummer. Stummer, wie ein Fisch. Figürlich, theils aus Vorsatz oder Schüchternheit nicht reden wollend. Stax ist in allen Gesellschaften stumm. Theils keinen Laut von sich gebend, sich durch keinen Laut offenbarend. Eine stumme Bewegung. Stumme Buchstaben, diejenigen Mitlauter, welche ohne Hülfe eines Selbstlauters nicht ausgesprochen werden können, zum Unterschiede von den flüssigen. Mein Herz war stumm und thränenlos. Stumme Seufzer, stumme Thränen, stumme Blicke. Wird dein Auge beständig gegen mich stumm seyn, und mir niemahls die Worte ins Herz reden, die ich dir mit jedem Blicke begreiflich zu machen suche? Kom. Theat. von S. Stumme Sünden, in der Theologie, welche ohne Zuziehung einer andern Person begangen werden, besonders solche Sünden der Unreinigkeit, Weish. 14, 26. Im Niedersächsischen[474] nennet man auch den Wein stumm, wenn er so sehr geschwefelt ist, daß er darüber den Geist verlohren hat, Engl. stum, Holländ. stom, in andern Gegenden dumm.

Anm. Bey dem Ottfried stumm, im Nieders. gleichfalls stumm, im Holländ. stom, im Schwed. stum, bey dem Ulphilas ohne Zischlaut dumbs, im Angels. dumb, dumba, im Engl. dum, im Dän. und Schwed. gleichfalls dum, im Wallis. mud, welches mit dem Lat. mutus verwandt ist. Stumm und dumm sind genau verwandt, und ein Stummer ist im eigentlichsten Verstande dumm. Stumm ist allem Ansehen nach eine Onomatopöie des einem m ähnlichen Lautes, welchen stumme Personen gemeiniglich von sich zu geben pflegen, daher es im eigentlichsten Verstande auch nur von natürlich Stummen gebraucht wird. Der Form nach ist es wegen des doppelten m ein Intensivum von einem veralteten stum, oder stüm, von welchem noch ungestüm herstammet, S. dasselbe.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 474-475.
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