Sucht, die

[495] Die Sucht, plur. die -en. 1. Ein Wort, welches ehedem eine jede Krankheit bedeutete, sie sey von welcher Art sie wolle, in welchem Verstande es schon bey dem Ottfried vorkommt. Auch das alte Gothische Sauht, und Schwedische Sjuka bedeuten eine jede Krankheit. Besonders gebrauchte man es, wie Seuche, ehedem von ansteckenden, gefährlichen Krankheiten, daher die Pest noch jetzt in einigen Gegenden die Sucht genannt wird. Im Hochdeutschen ist es in dieser weitern Bedeutung veraltet, indem es sich nur noch in einigen Zusammensetzungen und Nahmen einzelner Krankheiten erhalten hat. Die fallende Sucht, (S. Fallen,) Epilepsia, sonst auch das böse Wesen, das schwere Gebrechen, der Jammer, in Preußen das Höchste, in andern Gegenden die Fallsucht; die gelbe Sucht oder Gelbsucht, die Schwindsucht, die Lungensucht, Tobsucht, Wassersucht u.s.f. In einigen Gegenden sagt man[495] auch Hauptsucht, für Kopfweh, Blutsucht, für Blutfluß oder Blutsturz u.s.f. Es gehöret zu siech und Seuche, von welchen es ein Intensivum ist. 2. Ohne Plural, eine anhaltende oder herrschende ungeordnete Begierde, eine zur Fertigkeit gewordene ungeordnete Begierde. Die Neigung zum Spielen ist bey ihm zu einer Sucht geworden. Die Liebe zur Sucht werden lassen. So auch in Zusammensetzungen z.B. Ehrsucht, Eifersucht, Ruhmsucht, Herrschsucht, Geldsucht, Rachsucht, Spielsucht, Tadelsucht, Zanksucht u.s.f. In welchen es insgesammt eine heftige ungeordnete Begierde bezeichnet, das einzige Sehnsucht ausgenommen, welches den nachtheiligen Nebenbegriff nicht hat.

Anm. Gemeiniglich siehet man die letzte Bedeutung als eine Figur der ersten an, und sie könnte es sehr füglich seyn, indem anhaltende heftige Begierden wirklich als eine Krankheit der Seele angesehen werden können. Indessen kann es auch bloß ein Seitenverwandter des ersten seyn, und unmittelbar von dem noch Niederd. Sucht, ein Seufzer, und suchten, seufzen, abstammen, Angels. sican und sicettan, Engl. sigh, Holländ. zughten, Schwed. sucku, welche alle seufzen bedeuten. Siechen und dessen Intensivum suchten, bedeuteten eigentlich seufzen, figürlich aber sowohl vor Krankheit, als auch vor Verlangen, heftiger Begierde, seufzen. S. Seufzen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 495-496.
Lizenz:
Faksimiles:
495 | 496
Kategorien: