Thauen

[568] Thauen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, und unpersönlich am üblichsten ist. Es kommt in einer doppelten Bedeutung vor. 1. Es thauet, wenn die gefrornen Feuchtigkeiten von der gelindern Wärme der Luft anfangen zu zergehen und aufgelöset zu werden. Es hat gethauet. Es wird bald thauen. S. Thauwetter. Die Niedersachsen gebrauchen dafür lüen, die Oberdeutschen leinen, die Upländer mit vorgesetztem Blaselaute slia, welches nicht unmittelbar von dem Griech. λυειν, auflösen, herstammet, sondern zu dem alten Lan, Leine, Wasser, gehöret, indem hier, so wie in thauen, der Begriff der Flüssigkeit der herrschende ist; obgleich das Latein. lenis, und das Griech. λυειν, im weitesten Umfange damit verwandt seyn können. Unser thauen lautet in dieser Bedeutung im Schwed. töa, im Angels. thavan, im Engl. thau, im Dän. töe, im Ißländ. mit einem andern Endlaute tidna. In aufthauen leidet es auch eine thätige Bedeutung. 2. Von dem Hauptworte Thau sagt man, es thauet, sowohl, wenn der Luftkreis mit den zarten Dünsten, welche man Thau nennet, erfüllet ist, als auch, wenn sich diese Dünste in zarte Tropfen auf den Körpern auflösen oder zusammen setzen. Es muß weder Thauen noch regnen, 2 Sam. 1, 21. Es hat diese Nacht gethauet. In der dichterischen Schreibart wird es zuweilen auch thätig gebraucht. Mich entzückt der thauende Morgen, Geßn. Welche Form schon alt ist. So touuon himila, Notker.


Da stat nu gruener kle

Er touwet an dem morgen,

Heinr. von Veldig;


wo es doch nur bedeutet, er wird vom Thau benetzet.

Anm. In dieser zweyten Bedeutung im Nieders. dauen, im Angels. deawian, im Dän. dugger. Beyde Bedeutungen sind sehr nahe verwandt, indem der Begriff der sanften, allmähligen Flüssigkeit in beyden der herrschende zu seyn scheinet, daher dieses Wort als ein Verwandter von dem Griech. δευειν, naß machen, dem Wallis. teud, und Bretag. teuzi, schmelzen, angesehen werden muß. Einen ähnlichen Begriff gewähret das Lat. Ros, im Slavon. Rosa, welches zu unserm röhren, rieseln, sanft rinnen, gehöret. Dauen in verdauen, gehöret nicht hierher, sondern hat vermuthlich den Stammbegriff des Reibens, Bereitens, als ein Verwandter des Nieders. tauen, bereiten, gärben, S. dasselbe.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 568.
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