Theil, der

[571] Der Theil, des -es, plur. die -e, Diminut. das Theilchen. 1. Eigentlich, eines von denjenigen verschiedenen Dingen, aus welchen etwas bestehet, welche Dinge sich wirklich von einander trennen lassen, so daß nach der Trennung die übrigen noch fortdauern; außer einander befindliche Dinge, welche ein Ganzes ausmachen. In diesem engern Verstande nennet man dasjenige zusammen gesetzt, was solche Theile hat, und einfach, was nicht aus Theilen bestehet. Die Theile eines Ganzen sind entweder wirklich von einander oder von dem Ganzen getrennet, oder man[571] unterscheidet sie nur in Gedanken. Auch ist das Ganze, zu welchem diese Theile gehören, entweder ein wirkliches physisches oder zusammen hangendes Ganzes, oder man verbindet mehrere Dinge einer Art in Gedanken zu einem Ganzen. In allen diesen Fällen findet das Wort Theil statt, welches sich durch diesen weiten Umfang seiner Bedeutung hinlänglich von Stück unterscheidet. In noch weiterer Bedeutung wird auch jedes von dem Mannigfaltigen, welches man sich bey einer Sache vorstellen, und in Gedanken von den übrigen Dingen, mit welchen es verbunden ist, absondern kann, ein Theil genannt. Eine Erbschaft in drey Theile theilen, wo jeder Theil wieder aus verschiedenen Stücken bestehen kann. Der größte Theil der Welt, der Menschen. Jedem seinen Theil geben. Der Mensch bestehet aus zwey Theilen, wovon die Seele der vornehmste ist. Einen Körper, oder ein Ganzes in viele Theile theilen; z.B. eine Summe Geldes, einen Haufen Getreide. Ist es ein zusammen hangendes Ganzes, welches auf solche Art körperlich getheilet wird, so entstehen daraus Stücke, welche aber auch Theile genannt werden können. Die Theile einer Wissenschaft, einer Predigt. Ein Theil von einem Buche, oder eines Buches, welcher von dem Verfasser herrühret, und mehr Bände enthalten, so wie ein Band aus mehrern Theilen bestehen kann. Seinen Theil zu etwas geben, seinen Theil von etwas bekommen, S. auch Antheil.

Daher auch verschiedene figürliche Arten des Ausdruckes. Ein guter Theil, oder ein gut Theil, eine beträchtliche Menge, Anzahl.


Wir wären da gewiß ein gut Theil schlechter dran,

Willam.


um vieles schlechter. Er hat seinen Theil bekommen, er hat Schläge genug, den gehörigen Verweis, die verdiente Strafe bekommen. Er hat seinen Theil gelebt, er hat lange genug gelebt. Zum Theil, einem Theile nach, in etwas. Es ist mir zum Theil lieb. Zum Theil kann ich ihn wohl leiden. Theil an etwas haben, ohne Artikel. Er hat keinen Theil an dieser Sache, an diesem Verbrechen, hat auf keine Art dazu mitgewirket. Theil an etwas nehmen, auch ohne Artikel, schon bey dem Kero teil nemen. Vielen Theil an jemandes Glück, Unglück, Kummer, Wohlergehen u.s.f. nehmen, dabey mit empfinden, S. auch Antheil. Jemanden zu Theil werden, in seine Gewalt gerathen. Den Thieren zu Theil werden, Es. 46, 1.

Ingleichen in der zweyten Endung. Großen Theils, größten Theils, einem großen, oder dem größten Theile nach. Die Sache ist größten Theils vorbey. Der Ekel gegen die Tugend rühret größten Theils von der schlechten Art her, wie man sie andern beybringet. Meisten Theils, mehrer Theils, welche beyde am häufigsten zusammen gezogen werden, mehrentheils, meistentheils, dem mehresten, meisten Theile nach. Guten Theils, einem guten, d.i. beträchtlichen, großen Theile nach. Im Oberdeutschen sagt man auch übrigen Theils, für übrigens. Eines Theils – andern Theils. Eines Theils wundere ich mich selbst, daß – andern Theils bereue ich es fast. Aus diesem Genitiv ist denn auch das Nebenwort theils geworden, von welchem an seinem Orte.

2. In einigen engern und zum Theil figürlichen Bedeutungen. (1) Im Bergbaue ist ein Theil oder Bergtheil ein bestimmter Theil einer Zeche. Eine Zeche hat daselbst 32 Theile, ein Theil aber vier Kuxe. Wo es gemeiniglich ingewissen Geschlechtes ist, das Theil oder Bergtheil. (2) Auf den hohen Öfen und den Blechhämmern ist Theil, ein von der Ganz ab- und eingeschmelztes Stück, ein Klumpen Eisen, welcher zu mehrerer Reinigung aus den Gänzen oder Frischstücken nochmals geschmelzet, und hernach zu Stangen verschmiedet wird. Es ist in dieser Bedeutung gleichfalls[572] ungewissen Geschlechtes, und lautet in der Mundart der Hüttenleute gemeiniglich Deul oder Teul. Indessen ist es unstreitig unser Theil, weil es wirklich ein Stück der Gans, oder besser der Ganze, das ist, des Ganzen, ist. (3) Mehrere in gewissen Absichten in zwey oder mehrere Theile oder Haufen getheilte Personen, werden häufig Theile genannt. So sind zwey streitige Personen, oder zwey streitige Haufen, zwey Theile; welche in den Rechten auch die beyden Parteyen genannt werden. Man muß beyde Theile hören. Der klagende, der beklagte Theil. Der Gegentheil. Sich mit keinem Theile einlassen. So auch in andern Fällen, wo nur irgend eine Art des Gegensatzes statt findet. Ich an meinem Theile, was mich betrifft, ich von meiner Seite. Ich an meinem Theile kenne keine größere Marter als die, wenn Vorwürfe, die man sich hätte ersparen können, zu ihrer Zeit uns peinigen, Hermes. Sie befördern jedes an seinem Theile die häusliche Wohlfahrt, jeder so viel ihn betrifft, so viel in seinem Vermögen ist. Wir müssen an unserm Theile unser Beßtes thun. Wo man auch wohl die zweyte Endung gebraucht. Ich meines Theils. Wir unsers Theils. Er schmeichelte ihr seines Theils auch, von seiner Seite.

Anm. Bey dem Kero Teil, bey dem Ottfried Deil, im Nieders. Deel, im Angels. Dael, bey dem Ulphilas Dail, im Schwed. Del, im Engl. Deal, im Böhm. Dil, im Poln. Dzial. Siehe Theilen. Das Geschlecht ist in den Deutschen Mundarten, im Ganzen genommen, nicht einförmig, indem in vielen Oberdeutschen Gegenden das ungewisse das herrschende ist, welches auch in vielen Stellen der Deutschen Bibel vorkommt; z.B. 1 Mos. 15, 10. Ezech. 48, 8. 9. 12. 21. Luc. 10, 42. Dagegen in andern Stellen das männliche gebraucht wird. Indessen ist das einfache Wort im Hochdeutschen im männlichen Geschlechte am gangbarsten, einige einzelne R.A. etwa ausgenommen, in welchen sich das ungewisse aus dem Oberdeutschen erhalten hat. Nur in den Zusammensetzungen ist das Geschlecht auch im Hochdeutschen getheilt, und wenn man im männlichen sagt, der Antheil, Bestandtheil, Nachtheil, der Vortheil, so sagt man hingegen, das Hintertheil, das Vordertheil, das Erbtheil, das Bergtheil, das Vatertheil, das Muttertheil, das Viertheil, das Fünftheil u.s.f. Gegentheil ist in verschiedenen Bedeutungen so gar in beyden Geschlechtern üblich. Dieser Unterschied gründet sich nicht auf einen Unterschied in der Bedeutung, sondern rühret bloß daher, daß einige Wörter aus solchen Oberdeutschen Gegenden angenommen worden, welche dieses Wort im ungewissen Geschlechte gebrauchen.

Wenn dieses Wort Zahlwörtern angehänget wird, so bildet es Hauptwörter, welche einen Theil nebst dessen Verhältnisse zu dem Ganzen bezeichnen, welche Hauptwörter gleichfalls ungewissen Geschlechtes sind. Man nimmt dazu die Ordnungszahl, welche aber die Endung te verliehret, oder sie vielmehr nur mit theil zusammen schmelzen lässet. Das Zweytheil, wofür aber die Hälfte üblicher ist, Drittheil, Viertheil, Zehntheil u.s.f. für der dritte, vierte, zehnte Theil; wobey das Wort theil zugleich den Ton verliehret und denselben auf das Zahlwort zurück wirft. Im gemeinen Leben und der vertraulichen Sprechart wird dieses theil gern in tel verkürzt; ein Drittel, drey Viertel, ein Fünftel, vier Sechstel, ein Huntertstel, Tausendstel u.s.f.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 571-573.
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