Trüben

[703] Trüben, verb. reg. act. trübe machen. 1. Eigentlich, von flüssigen Dingen, durch Auftreibung oder Aufrührung fremdartiger Theile ihre Durchsichtigkeit unterbrechen. Das Wasser trüben, Ezech. 32, 2. Im gemeinen Leben sagt man im figürlichen Verstande, er hat kein Wasser betrübt, für getrübt. Am häufigsten ist dieses einfache Zeitwort noch in der dichterischen Schreibart, indem im gesellschaftlichen Umgange trübe machen gewöhnlicher ist.


Wenn die getrübte Fluth bis an die Wolken klimmt,

Opitz.


Daß keiner

Dir trübe deinen Fluß,

Opitz.


Wenn Boreas die Lüfte trübt,

Uz.


Einsam im Zimmer, zufrieden mit sich, durchlebte sie Tage,

Nicht vom Neide getrübt,

Zachar.


In weiterer Bedeutung auch von der Oberfläche glänzender Körper, wenn ihr Glanz durch fremdartige Dinge unterbrochen wird.


So hätt ich nicht Thränen gesehn, durch die die mächtige Liebe

Dein blaues siegendes Auge getrübt,

Zachar.


2. Figürlich. 1) Durch Verursachung eines Grames die Heiterkeit der Gesichtszüge unterbrechen, auch nur in der dichterischen Schreibart. Sie trübte keine Klage. 2) * Betrübt, traurig machen, eine veraltete Bedeutung, in welcher jetzt betrüben gewöhnlicher ist, S. dasselbe. So auch das Trüben.

Anm. In der ersten Bedeutung auch im Nieders. dröven. Es scheinet, daß es in dieser Bedeutung zunächst von treiben abstammet, und eigentlich das Auftreiben fremdartiger Theile in einem flüssigen Körper bezeichnet, indem dieses Zeitwort ehedem einen stärkern Begriff der heftigen Bewegung bey sich hatte. Bey dem Kero ist truabpen, und bey dem Notker getruoben, in Unruhe, Unordnung, Verwirrung bringen, turbare, θορυβειν, welches mit versetztem r gleichfalls hierher gehöret, mit turba, Haufe, Menge, eben so verwandt ist, als treiben und trüben mit Trupp,[703] und Trab in Nachtrab, Vortrab. In den Monseeischen Glossen ist Gitruopido, die Fluth, Welle, eigentlich das aufgetriebene Meer.

So schön auch die Figur der Betrübniß von der trüben Beschaffenheit durchsichtiger Körper ist, so ist sie doch für die rohen Zeiten, in welchen die Sprache gebildet und gemodelt wurde, zu fein und schön, und die Wahrscheinlichkeit derselben verliehret sich ganz, wenn man diesem Worte in seinem Alterthume nachspüret. Man findet daselbst zwey hierher gehörige Zeitwörter; das vorige Activum truoben, druaban, trüben, turbare, welches, so wie treiben, auch plagen, Schmerz und Unruhe des Gemüthes verursachen, bedeutet, bey dem Ulphilas draiban, im Angels. drefan, Lat. turbare, und welches unser trüben in betrüben ist; und das Neutrum thruuen, getrieben oder geplagt werden, leiden, Angels. throvian, wovon unser Intensivum trauern. Man muß also die Bedeutungen vielmehr so ordnen:

Traben, Treffen, Treiben sind Ausdrücke ähnlicher Laute heftiger Bewegungen verschiedener Art.

Trüben

Hieraus erhellet zugleich, daß auch die scheinbarste Ableitung nicht allemahl die wahre ist, und wie behutsam man in einer jeden Sprache seyn müsse, nicht jeder auch noch so auffallenden Ähnlichkeit ohne weitere Untersuchung zu trauen; wenigstens muß man die rohen Zeiten, in welchen die Sprachen gebildet wurden, nicht dabey aus den Augen setzen. Der Begriff der Betrübniß würde für unsere Zeiten eine vortrefliche Figur von der trüben Beschaffenheit durchsichtiger Körper seyn; aber für das Knabenalter der menschlichen Gesellschaften, wo Nerven, Empfindungen und Sprachwerkzeuge eben so roh waren, als der Boden und die Lebensart, ist sie zu fein und zu künstlich. S. auch Trauern.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 703-704.
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