Verdenken

[1010] Verdênken, verb. irregul. act. S. Denken, welches ehedem in verschiedenen Bedeutungen üblich war. 1. * Mit seinen Gedanken in der Irre herum schweifen, als ein Neutrum; eine längst veraltete Bedeutung. So gesciehet uns danne unir uuellen betondo an Got tenchen, daz unir an ander unsih ferdenchen, Notker. Ver hat hier die Bedeutung des Irrthums, S. Ver 4. (g). 2. * Bedenken, überlegen, Schwed. förtänka; eine gleichfalls veraltete Bedeutung, wo ver eine intensive Bedeutung gehabt zu haben scheinet. 3. * Ernstlich, stets an etwas gedenken; in welchem Verstande man in dem Mittelworte ehedem sagte auf oder an etwas verdacht seyn, S. Ver 5.


Wie tuon ich so das ich so herzekliche

Bin an si verdaht,

Heinr. von Morunge.


Ich was so verre zu si verdaht

Das ich mich underwilent niht versan,

Friedr. von Husen.


Das ich uf sorge bin verdaht,

Reinmar der Alte.


Auch diese Bedeutung ist veraltet. 4. * Muthmaßliche Gedanken eines begangenen Übels von jemanden haben, mit der vierten Endung der Person. Auch diese Bedeutung ist nicht mehr gangbar, indem man jetzt dafür sagt, jemanden in Verdacht haben, welches Hauptwort selbst noch ein Überbleibsel dieser Bedeutung ist. Wenn jemand einer Missethat verdacht wirdt, Constit. Carol. 1532, Art. 28; wegen einer Missethat in Verdacht ist. Oder wer darunter gewohnt oder verdacht were, in einer österr. Urk. von 1440. Ver scheinet hier und in der folgenden Bedeutung eigentlich eine Verschlimmerung des Zustandes vermittelst des Zeitwortes zu bezeichnen, S. Ver 1. (h). 5. Übel auslegen, eine mit der vorigen verwandte Bedeutung, welche die einzige noch gangbare ist, und in welcher es auf doppelte Art gebraucht wird. (1) Mit der dritten Endung der Person, und der vierten der Sache, welche Wortfügung im Hochdeutschen am gangbarsten ist. Wer will mir das verdenken? Wenn er es thut, so kann ich es ihm nicht verdenken. (2) Mit der vierten Endung der Person, welche Wortfügung in einigen Oberdeutschen Gegenden die herrschende ist. Wird mich demnach hoffentlich niemand verdenken, daß u.s.f. Opitz; wo statt des Accusativs der Sache auch wohl das Wörtchen darum gebraucht wird. Ich glaube nicht, daß er mich drum verdenket.


Gesetzt, ich wüßt es auch,

Ich wollte sie darum noch lange verdenken,

Günth.


Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1010.
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