Vergießen

[1046] Vergießen, verb. irreg. act. S. Gießen. 1. Fehl gießen, im Gießen irren, als ein Reciprocum; sich vergießen. 2. Durch zu vieles Gießen verderben, im gemeinen Leben. Pflanzen, Gewächse vergießen, sie zu sehr begießen, daß sie davon erkranken und eingehen, sie übergießen. 3. Durch Gießen befestigen, verbinden. Die Klammern in einer Mauer mit Bley vergießen. 4. Durch Gießen alle machen, der Quantität nach erschöpfen. Alles Wasser vergießen, durch Begießen u.s.f. 5. In weiterer Bedeutung vergießt man einen flüssigen Körper, wenn man ihn ganz oder zum Theil ausfließen lässet. Den Wein, das Bier vergießen, aus Versehen ausfließen lassen, wofür doch verschütten üblicher ist. Am häufigsten gebraucht man es, sowohl von den Thränen, als auch von dem Blute. Thränen vergießen, weinen. O wüßtest du, wie viele Thränen ich um dich vergossen habe. Jede vergoßne Zähre schreyt um Rache. Sein Blut für jemanden vergießen, sowohl Wunden, als auch einen gewaltsamen Tod, für ihn leiten. Der Held, der sein Blut für das Vaterland vergießt. In mehr thätigem Verstande und nach einer noch weitern Figur ist Blut vergießen, andere gewaltsamer Weise um das Leben bringen. Wer Blut vergeußt (vergießt), des Blut soll wieder vergossen werden, 1 Mos. 9, 6. Viel unschuldiges Blut vergießen, 2 Kön. 21, 16. S. Blutvergießen.

Daher das Vergießen in allen Bedeutungen, und die Vergießung in der letzten. Unter Vergießung vieler Thränen.[1046]

Anm. Im Nieders. vergeten. Im Oberdeutschen wurde in der letzten Bedeutung dafür auch das einfache gießen gebraucht. Er goz sin bluot, Ottfr. Zu gießen Menschenblut, Opitz.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1046-1047.
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