Vorrücken

[1288] Vorrücken, verb. reg. welches in doppelter Gestalt gebraucht wird. 1. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte seyn, vorwärts rücken. Mit der Armee vorrücken. Der Feind ist vorgerückt. In der Mahlerey sagt man, eine Farbe rückt vor, wenn sie die Gegenstände, dem Vorgrunde gleichsam nähert. Weiß rückt mit dem Braunen vor, und entfernt ohne dasselbe. Bloßes Schwarz rückt am stärksten vor.

2. Als ein Activum. (1) Vorwärts rücken, durch einen Ruck vorwärts bringen. (2) Vor etwas rücken. a. Eigentlich. Den Schrank, den Tisch vorrücken, vor eine Öffnung. b. Figürlich rückt man jemanden etwas vor, wenn man ihm etwas Vergangenes mit Bitterkeit wieder in das Andenken bringet; wodurch es sich von vorhalten unterscheidet, mit vorwerfen aber zum Theil gleichbedeutend ist. Jemanden die genossenen Wohlthaten vorrücken. Ihm ein begangenes Verbrechen vorrücken. Es war mir, als rückten mir alle, die mich sahen, mein Vergehen vor. In weiterm Verstande, überhaupt, als ein Vergehen, als eine Unvollkommenheit vorstellig machen, gebraucht man lieber vorwerfen. Ich habe mir dabey weiter nichts vorzurücken, als daß ich zu gutwillig gewesen, besser vorzuwerfen. Im Oberdeutschen sagt man für vorrücken auch vorrupfen.

Daher die Vorrückung in allen Bedeutungen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1288.
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