Weben

[1418] Wêben, verb. regul. welches in doppelter Gestalt gefunden wird. 1. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, sich bewegen, besonders, sich langsam bewegen; eine längst veraltete Bedeutung, welche noch in der Deutschen Bibel vorkommt. In ihm leben, weben und sind wir. Man gebraucht es nur noch zuweilen im gemeinen Leben, aber immer in Verbindung mit dem Verbo leben: alles lebt und webt an ihm, ist an ihm in Bewegung.[1418] Einige neuere Schriftsteller haben dieses veraltete Wort wieder in die witzige Schreibart einzuführen gesucht.


Es webet, wallt und spielet

Das Laub um jeden Strauch,

Haged.


Der junge Baum webt und schauert, und fühlet die Glieder im Morgenodem der erweckten Schöpfung, Herd. Wo aber die Zweydeutigkeit mit weben, texere, einen komischen Nebenbegriff veranlasset, der wider die Würde der edlen Schreibart ist, und die Täuschung der mahlerischen verdirbt.

2. Als ein Activum. (1) * Langsam hin und her bewegen, schwingen; eine gleichfalls veraltete Bedeutung, welche auch nur noch in der Deutschen Bibel vorkommt, besonders von einer Art Opfer, welche empor gehoben und gegen die vier Gegenden des Himmels beweget wurden. Daher eine Webe weben, Webebrod, Webebrust u.s.f. alle in der Deutschen Bibel. (2) Durch Einschießung eines Fadens in einen ausgespannten Aufzug hervor bringen; die einzige noch gangbare Bedeutung. Leinwand, Tuch, Taffet, Spitzen, Teppicht weben. Auch als ein Neutrum, weben lernen, weben können, sich vom weben nähren. S. auch Wirken. Daher das Weben.

Anm. In allen Bedeutungen schon bey den ältesten Oberdeutschen Schriftstellern uueban. Im Schwed. ist vefva, umgeben, bey dem Ulphilas waiban, bey welchem daher auch Waib eine Krone ist; väfva aber weben, texere, Nieders. weven, Angels. wefan, Engl. to weave. In den Monseeischen Glossen bedeutet Weapon, fluctuare. Man siehet leicht, daß der Begriff der Bewegung der Stammbegriff ist, und daß weben, texere, nur eine Anwendung dieses allgemeinen Begriffes auf einen besondern Fall ist. Verwandte dieses Wortes sind Webel, schweben, schweifen, Weife, Wiebel, vielleicht auch Wipfel, besonders aber das Lat. vivere und Griech. βιειν, zumahl da auch leben ursprünglich sich bewegen bedeutet. In den gemeinen Mundarten hat man davon die Iterativa und Intensiva webeln und webern, sich lebhaft, schnell bewegen, von welchen das letztere noch Ps. 65, 9, in der Deutschen Bibel vorkommt. Im Hause herum webeln; mit Händen und Füßen webern. Eben daselbst ist webelig, lebhaft, thätig, ein webelicher Mensch. Ehedem ward dieses Verbum irregulär conjugirt, ich webe, wob, gewoben oder geweben, welche Form im Hochdeutschen aber längst veraltet ist.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1418-1419.
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