Weben

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[670] Weben wird die Verfertigung von Zeuchen durch kreuzendes Ineinanderflechten von Fäden mittels des Webstuhls genannt und die dabei zunächst thätigen Arbeiter heißen Weber.

Sie sind in Deutschland meist zünftige Handwerker und werden nach den Zeuchen, welche sie liefern, Seiden-, Tuch-, Lein-, Barchent-, Damast-, Sammetweber u.s.w. benannt. Eine Art Webstuhl war schon bei den alten Ägyptern in Gebrauch, würde sich aber neben den daran von Europäern erfundenen Verbesserungen und Abänderungen ebenso roh und unvollkommen ausnehmen, wie z.B. die noch in Ostindien bei den Eingeborenen gebräuchlichen Vorrichtungen zum Zeuchweben, deren eine von der Insel Ceylon oder ein cingalesischer Webstuhl nebenstehend dargestellt ist. Die Einrichtung des Webstuhls ist aber nach der Arbeit eine verschiedene, welche darauf vorgenommen werden soll und bald mehr und weniger zusammengesetzt. Die einfachsten sind diejenigen, auf welchen glatte, ungemusterte [670] und ungeköperte Zeuche verfertigt werden, folglich die Webstühle der Leinweber, der Tuch- und Baumwollenweber. Der gewöhnliche Stuhl der Tuchmacher hat vier senkrecht stehende, durch Querpfosten verbundene Holzpfeiler oder Säulen, zwischen welchen am Vordertheile eine drehbare Walze, der Brustbaum, angebracht ist, an welche der Weber sich bei der Arbeit lehnt. Eine ähnliche und tiefer liegende, welche das Gewebe aufnehmen soll, heißt deshalb der Zeuchbaum oder Unterbaum. Dem Brustbaume gegenüber, nur etwas höher, ist am hintern Ende des Gestells der runde oder achteckige, ebenfalls um seine Achse drehbare Garn-oder Kettbaum eingefügt, auf welchen die Längenfäden des beabsichtigten Gewebes oder die sogenannte Kette (auch Zettel, Werfte, Aufzug, Scherung) gewickelt ist. Die Kette wird vom Kettbaume aus über den Brustbaum gezogen und am Zeuchbaume befestigt. Am obern Theil des Stuhls befinden sich das Geschirr, die Schäfte oder Kämme, deren der gewöhnliche Stuhl zwei hat. Jeder besteht aus zwei Stäben, wovon einer über, der andere unter der Kette angebracht ist und zwischen denen so viele Schnuren (Geschirrfäden) ausgespannt sind, als die halbe Kette Fäden hat. Diese Schnuren haben in der Mitte Öhre, durch welche die Kettfäden so gezogen sind, daß der erste, dritte, fünfte u.s.w. am ersten, der zweite, vierte, sechste u.s.w. mit dem zweiten Schaft in Verbindung steht. Auf diese Art bewirkt der Weber mittels Rollen und Schnüre, die unter dem Stuhle an Fußtritten befestigt sind, daß die eine Hälfte der Kette über die andere abwechselnd emporgehoben werden kann. Endlich ist noch zwischen Brustbaum und Geschirrschnuren die Lade angebracht, die schwebend am obern Theile des Stuhls hängt und aus zwei handhoch voneinander stehenden Stäben oder Blättern besteht, die mittels ebenso viel Drahtstiften verbunden sind, als die Kette Fäden hat, weil jeder Kettfaden zwischen zwei Stiften der Lade durchgezogen werden muß. Die Querfäden des Gewebes, der sogenannte Einschlag oder Einschuß, werden einzeln in die Kette eingeflochten. Das dazu gebrauchte Gespinnst wird auf Spulen gewickelt, die im Weberschiffchen oder Schützen beweglich angebracht sind. Der Faden geht durch eine Seitenöffnung des Schützen und der vor dem Stuhle sitzende Weber befestigt ihn am rechten Seitenfaden der Kette, entfernt die Lade vom Brustbaume, hebt durch den einen Fußtritt die eine Hälfte der Kettfäden (das Obergelese) und zieht die andere Hälfte herab (das Untergelese); durch die auf solche Art gebildete Öffnung (Fach genannt) wirst er nun mit der rechten Hand den Schützen vor der Lade querdurch, schlägt durch eine Bewegung der Lade den eingeschlossenen Faden in der Richtung des Brustbaums fest, und indem er nun das Untergelese hebt und das Obergelese senkt, sodaß die Kette wieder Fach bildet, wirst er den Schützen mit der linken Hand wieder zur Rechten und fährt in diesen abwechselnden Bewegungen fort. Das fertige Gewebe wird allmälig auf den Zeuchbaum aufgewickelt und dabei gleichzeitig vom Kettbaume (Kette) abgewickelt. Die Breite der Webstühle richtet sich nach den gewöhnlich darauf gearbeiteten Zeuchen und die breitesten sind daher die Tuchmacherstühle, [671] an welchen oft zwei Arbeiter zugleich thätig sind und der eine den Schützen von der linken, der andere von der rechten Seite einschießt. Am Stuhle der Raschmacher, auf welchem Perkan, Damis und andere einfache wollene Zeuche gearbeitet werden, ist der Garn- oder Kettbaum nicht hinten, sondern oberhalb angebracht und die Kette daher senkrecht ausgespannt; dasselbe ist bei dem jedoch viel zusammengesetztern Stuhle der Tapetenwirker der Fall. Gemusterte und geköperte Zeuche werden auf Stühlen mit mehr als zwei Schäften und Fußtritten und andern Einrichtungen gewebt, um die das Muster bedingenden Kettfäden einzeln heben zu können. Sehr künstliche Muster werden auf den Kegel- und Zampelstühlen gearbeitet, deren Einrichtung noch mannichfaltiger ist. Auch die Stühle zu Sammet, zu Posamentierarbeiten, Bändern, Bobbinet (s.d.) sind auf besondere Weise angeordnet.

An die Stelle aller solcher sehr zusammengesetzter und schwierig zu dirigender Webstühle für kunstreich gemusterte Zeuche und Bänder tritt aber allmälig allenthalben der Jacquard'sche Webstuhl, welcher nach seinem Erfinder Jacquard, dem Sohne eines Seidenwebers, benannt ist. Allein auch das Weben einfacher Zeuche erleichtert dieser Stuhl, an welchem sich nur ein Fußtritt befindet und dessen sinnreicher Mechanismus oberhalb des Gestelles angebracht ist. Sobald dieser für ein Muster eingerichtet ist, was ohne Schwierigkeit geschieht, entsteht dasselbe während des Webens ohne weiteres Zuthun des Arbeiters, der nur der gewöhnlichen Geschicklichkeit dabei bedarf, dennoch aber täglich das Doppelte von Dem zu Stande bringt, was auf den alten Stühlen möglich war. Jacquard (geb. 1752 zu Lyon) besaß zwar von Jugend auf viel mechanisches Talent, aber bei seiner vernachlässigten Erziehung brachte er erst nach dreißigjährigen Bemühungen seinen Webstuhl zu Stande. Die Einführung desselben fand besonders bei den Arbeitern viel Hindernisse und setzte den Erfinder selbst persönlichen Verfolgungen aus. Als später in London von der Gesellschaft der Künste ein hoher Preis für Erfindung eines Webstuhls, auf welchem Fischernetze verfertigt werden könnten und in Frankreich eine goldene Medaille für dieselbe Leistung bestimmt worden war, suchte Jacquard auch die letztere zu verdienen. Mitten in seinen Bemühungen ward er aber plötzlich nach Paris abgeführt, wo man ihm im Conservatorium der Künste ein großes Zimmer und jede gewünschte Unterstützung bei seinen Arbeiten anwies, ihn aber nicht ohne Begleitung ausgehen ließ, damit ihn das engl. Geld nicht verleite, eine Erfindung, die er aber damals noch gar nicht zu Stande gebracht hatte, nach England zu verkaufen. Er löste jedoch die Aufgabe, erhielt die Medaille und ward Mitglied des Conservatoriums der Künste mit 3000 Francs Gehalt, welche ihm, als er später mit Niederlegung seiner Stelle nach Lyon zurückkehrte, von seiner Vaterstadt fortbezahlt wurden. Jacquard machte seine Erfindungen mit der seltensten Uneigennützigkeit bekannt, verbrachte seine letzten Jahre in ländlicher Zurückgezogenheit und starb im Aug. 1834. Einige Jahre vorher ward er noch Ritter der Ehrenlegion, 1840 aber hat ihm Lyon als einem seiner größten Wohlthäter auf dem Platze Sathonay eine Bildsäule errichten lassen.

In neuester Zeit hat man auch Webemaschinen hergestellt, d.h. Webstühle, welche durch Wasserräder, Pferde, Dampfmaschinen gleich Mühlwerken in Bewegung gesetzt werden und auf denen Zeuche ohne andere Menschenarbeit als Beaufsichtigung und Nachhülfe verfertigt werden. – Das Weben von Zeuchen ist eine sehr alte Erfindung, welche die Ägypter der Isis, die Griechen der Minerva zuschrieben. In Griechenland und Rom gehörte es lange zum Geschäft der Hausfrauen, und auch bei den alten Deutschen webten die Frauen Gewänder aus Flachs und Wolle. Die Vervollkommnung der Webstühle und des Garnspinnens hat die im Mittelalter schon in einem hohen Grade ausgebildete Weberkunst in neuester Zeit unglaublich vervollkommnet. Die Maschinenweberei wird hauptsächlich zu baumwollenen Zeuchen angewendet, von denen nur wenige noch auf Stühlen gearbeitet werden.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 670-672.
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