Frauen

[101] Frauen (die), der in der gebildetern Sprache eingeführte Ausdruck für das Weib, das schöne, das schwache Geschlecht. Schönheit und Schwäche, die man den Frauen gewöhnlich als die am allgemeinsten ihr Wesen ausdrückenden Eigenschaften beilegt, bezeichnen dasselbe nur sehr unbestimmt und zum Theil unrichtig. Besteht die Schönheit in Liebreiz, Zartheit, sanfter Rundung der Formen, so ist sie allerdings ein vorzügliches Eigenthum der Frauen, aber im künstlerischen Sinne ist der Mann so schön wie das Weib, jedes in seiner Art, sodaß, wenn auf Ebenmaß der Glieder, Bestimmtheit und Vollendung des Ausdrucks gesehen wird, der Mann sogar schöner als das Weib ist. Ähnlich verhält es sich mit der Schwäche. Das Weib kann nicht so große Lasten tragen wie der Mann, würde im Zweikampf mit ihm stets erliegen, aber es ist ausdauernder, erträgt geduldiger den Schmerz und ist so auf die Dauer stärker als der Mann, während es dieser für den Augenblick ist. Was in leiblicher Beziehung gilt, das bestätigt sich auch in Hinsicht auf den Geist. Die Vorzüge der Anmuth, Zartheit, ahnungsvollen Seelenhaftigkeit, Mäßigkeit, Geduld, Sanftmuth, Schamhaftigkeit sind den Frauen eigen, wogegen sie an Verstand, Willenskraft, Kühnheit den Männern nachstehen. Diese Vorzüge jedes Geschlechts sind es, welche das andere [101] an ihm liebt. Die Vorzüge der Frauen sind sämmtlich stillerer und zarterer Art, als die des Mannes, daher gehört eine höhere Ausbildung des geistigen Bewußtseins dazu, um sie zu würdigen und anzuerkennen. Bei Völkern, wo die rohe Kraft vorherrscht, sind daher die Frauen wenig geachtet, nur ein Gegenstand sinnlicher Zuneigung des Mannes, übrigens despotisch behandelt, welches sie vermöge ihres sanften Charakters dulden. Hier findet daher auch Vielweiberei statt. Je gebildeter dagegen die Völker sind, desto höher stehen die Frauen in Achtung. Daher finden wir auch bei den hochgebildeten Griechen und Römern die Frauen in großer Verehrung. Man hat diesen Völkern vorgeworfen, daß sie ihren Frauen wenig Freiheit im äußern Leben gestatteten, sie nicht zu Gastmählern zogen, überhaupt nur bei gewissen feierlichen Gelegenheiten sie öffentlich erscheinen ließen; aber die Tugenden des Weibes gehören noch jetzt, wie damals, der Familie an. Das edle Weib begehrt die Öffentlichkeit nicht, und der Grieche gestand frei seiner Gattin die Herrschaft im Hause, sogar über ihn selbst zu. Themistokles, der große Athener, sagte einst scherzend, sein kleiner Knabe beherrsche die Welt: denn Griechenland befehle den weltbeherrschenden Persern, Athen Griechenland, er den Athenern, sein Weib ihm und sein Sohn der Mutter. Von den tapfern Spartanern ist es bekannt, wie sie von ihren Weibern, die sie über Alles verehrten, sich beherrschen ließen, und diese rühmten sich: »Wir sind es werth, Männer zu beherrschen, denn wir allein bringen Männer zur Welt.« Im Verhältniß der Griechen und Römer zu ihren Frauen finden wir jedoch weder die schwärmerische Verehrung, welche im Mittelalter aufkam, noch die zuvorkommende Aufmerksamkeit (Galanterie), welche jetzt gegen die Frauen beobachtet wird. Das Christenthum, die Religion der Liebe, mußte eine Anerkennung der sanften Tugenden des Weibes zur Folge haben, die sich in einer Zeit, wo die äußerlichen Lebensverhältnisse zum Theil noch durch die rohe Kraft bestimmt wurden, und nur im Familienleben und namentlich in den Frauen das Ideal der christlichen Tugenden sich verwirklichte, bis zur Schwärmerei steigerte. (Vgl. Liebe.) Während Vielweiberei nur ein Zeichen unvollkommener Entwickelung des geistigen Lebens in einem Volke ist, sind die einzeln vorkommenden Erscheinungen, wo Weiber die Rolle der Männer übernehmen (s. Amazonen) und wo es Sitte ist, daß ein Weib sich mehre Männer hält, nur Zeichen der Versunkenheit und Verderbtheit der Sittlichkeit. Das Letztere soll in Tibet und Butan vorkommen. Solche Verhältnisse sind durchaus gegen das innerste Wesen des Weibes und eine Folge der Nichtswürdigkeit der Männer.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 101-102.
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