Tibet

Tibet

[428] Tibet, Thibet oder Tübet, von den Eingeborenen Puckachim, d.h. nördl. Schneeland, genannt, ist ein großes, unter dem Schutze Chinas stehendes Land, welches von den Quellen des Indus bis an China und von Hindostan bis zur Wüste Kobi sich erstreckt, über 27,000 ! M. umfaßt und ungefähr 10 Mill. Einw. hat.

Das Land bildet das höchste uns bekannte Hochland, dessen niedrigste Punkte 8000 F. über der Meeresfläche liegen. An der Südseite liegt die Hauptkette des Himalaja und das Innere wird gleichfalls von mächtigen Gebirgsketten durchzogen. Zwischen diesen Gebirgen liegen Thäler, die nur durch meist sehr hohe und beschwerliche Pässe miteinander verbunden sind. Die Pässe über den eigentlichen Himalaja sind 12–19,000 F. hoch und sind daher nur während der warmen Jahreszeit und auch da nur gefährlich zu passiren. Der höchste Berg des Himalaja (s.d.) ist der über 26,000 F. hohe Dhawalagiri. Ewiger Schnee, unermeßliche Eisgefilde bilden die Gebirge T.'s und die Thäler sind wenig fruchtbar. Man findet noch in einer Höhe von 13,000 F. bewohnte Ortschaften, bis zu 14,000 F. wachsen Birken und noch bei 17,000 F. das Tamagesträuch. welches zur Feuerung benutzt wird. Während der Regenzeiten sprießt Gras, welches aber bald in der außerordentlich trockenen Luft wieder verdorrt. Die Getreidearten werden in vielen Gegenden nie reif, doch angebaut, um, wenn das Gras ausgeht, als Viehfutter zu dienen. Jenes Gras ist indessen sehr nahrhaft und die Tibetaner haben große und schöne Viehheerden. Gewitter, Stürme und Regen herrschen in den Monaten März, April und Mai; Juni bis September sind reich an Regen. In der übrigen Zeit des Jahres ist die Luft anhaltend klar und hell. Die Kälte erreicht während der Monate März bis Mai einen außerordentlichen Grad. Unter den Seen T.'s umfaßt der Tengri-Noor über 100 ! M. Mehre der größten Ströme Asiens entspringen in T., so der Sind oder Indus, der Dschunab, der Satadru, der Hoang-Ho, der Yangtse-Kiang und andere. Hauptstrom des Landes ist der Yaru-dzang-bo-tsiu. Unter den T. eigenthümlichen Thieren zeichnet sich eine eigne Gattung Rindvieh aus. Der Stier wird Yak genannt, die Kuh Dhe. Auf den Schultern haben diese Thiere einen von einem Muskel gebildeten Höcker; die Haut ist mit langem, dickem und weichem Haare bekleidet, der Schweif bildet einen Haarbüschel von langen glänzenden und dicken Haaren. Im ganzen Orient werden diese Schweife als Fliegenwedel gebraucht. Vom untern Theile der Brust reicht das Haar bis zu den Knieen herab. Dies Thier lebt in den kältesten Gegenden, ist wild und wird von den herumziehenden Tataren in Heerden gehalten, auch als Lastthier benutzt. Die Kühe geben eine nahrhafte Milch; die Haare werden zu Stricken und Decken verarbeitet. Außerdem hat T. feinwollige Schafe, Kaschmirziegen, Wildpret, Moschusthiere, Tangunrosse, wilde, nicht zähmbare Pferde, Bären, Löwen, Dschiggetai, Argali, Einhörner, Hunde von außerordentlicher Größe, Affen, Zobel, Marder, Schweine, Kraniche, Enten, Störche, Fische; ferner Gemüse, Rhabarber, Wurmsamen, Obst, Holz, doch nur wenig; endlich die Mineralien: Gold, Silber, Quecksilber, Eisen, Kupfer, Blei, Schwefel, Quell-und Steinsalz, Galmei, Edelsteine, Tinkal (roher Borax), Zinnober, Arsenik, Marmor, Mineralwasser u.s.w. Die Einwohner sind von mongolischer Race, dunkel gefärbt, kräftig und muthig. Außer diesen Hauptbewohnern des Landes gibt es noch verschiedene Nomaden und Bergvölker: Bhutias, Ladaker, Kobi, Kasern, Uniyas und andere. Schriftsprachen gibt es zwei, die heilige, dem Sanskrit verwandte U-chin und die gewöhnliche Volksschrift Umin. Außerdem werden die chines. und mehre tatar. Sprachen geredet. Die Landesreligion ist die buddhistische. (S. Buddha.) Oberhaupt derselben und des Landes ist der Dalai-Lama, dessen Seele noch dieselbe sein soll, welche den Fo oder Buddha einst belebte. Ein anderer Lama, der Bogdo-Lama, herrscht im südl. Theile des Landes. Über die religiösen Gebräuche der Tibetaner herrschen sehr verschiedene Nachrichten. Sie besitzen eine eigenthümliche Bildung, haben Schulen, auf denen Philosophie, Astronomie, Medicin und Theologie gelehrt wird, Buchdruckereien, doch nicht mit beweglichen Schriften, sondern mit einer Art Stereotypen. Auch soll es öffentliche Schulen der Zauberei geben, auf denen Besprechungen, Todtenbeschwörungen, Wahrsagerei u. dergl. gelehrt werden. Die Industrie ist nicht ganz unbedeutend. Es werden grobe Tücher, Papier aus Baumbast, Gewehre und Pulver verfertigt. Viehzucht und Ackerbau werden stark betrieben. Die Architektur der Tibetaner ist nicht ohne Kunst. Die umstehende Abbildung zeugt dafür. Wir sehen eine ganz aus Holz gefertigte Brücke. Die übereinander geschobenen Balken [428] sind mit Bretern belegt und untereinander durch hölzerne Nägel befestigt. Der Handel im Innern ist unbedeutend, der Handel nach außen war früher bedeutender, jetzt wird er durch die Chinesen gehemmt. Früher war T. unabhängig, als aber 1720 im Innern Unruhen ausbrachen, benutzten dies die Chinesen, um Einfluß zu gewinnen, und ihre Oberherrschaft wurde entschieden, als 1793 die Nepaulesen eindrangen und von den Chinesen besiegt wurden. In der Hauptstadt Lassa ist ein chines. Vicekönig und hier und an einigen andern Orten befindet sich chines. Besatzung. Man unterscheidet drei Provinzen. In dem eigentlichen T. ist die Hauptstadt Lassa in einem fruchtbaren Thale. Zu derselben gehören der Berg Botala und eine große Anzahl zerstreut liegender Tempel und Klöster. Auf jenem Berge steht das Kloster, in welchem der Dalai-Lama residirt. Das Kloster Tischu-Lumbu, zu welchem eine Vorstadt von 400 Häusern gehört, ist die Residenz des Bogdo-Lama. Das Land Urna-Desa steht auch unter dem Dalai-Lama. Zum Lande Ladak oder Klein-T. gehört das eigentliche Ladak, welches unter einem eignen Rajah steht, der dem Dalai-Lama zinspflichtig ist, die Hochebene Pamer, das Land Baltistan und das Bergland Kaseristan. Außerdem rechnet man zu T. noch das auch den Chinesen unterworfene Land Butan oder Tangustan, nördl. von dem eigentlichen T. Es umfaßt 3000 ! M. mit 600,000 Einw., Bhutias genannt, ist zwar auch ein Alpenland, doch viel milder und fruchtbarer als T. Oberhaupt unter chines. Hoheit ist der Dharma-Lama. Das Land zerfällt in das eigentliche Butan mit der Hauptstadt Tassisudon und Wandipur, der Residenz der Dharma-Lama, und Bisni, welches unter einem eignen Rajah steht, der an Butan Tribut zahlt.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 428-429.
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