Handel

[323] Handel (der) ist ein Gewerbe, welches aus dem Ein-und Verkauf von Gegenständen irgend welcher Art (Waaren) Gewinn erstrebt. Die sich mit ihm Befassenden werden Händler oder Kaufleute genannt. Der Handel selbst wird häufig als Handlung bezeichnet und mit demselben Worte benennt man wol auch, aber nicht richtig, den Ort, wo Waaren feilgehalten werden, den Laden. Wer ihm angehörige Sachen verkauft, ohne solchen Verkauf wiederholt als Erwerbsquelle zu benutzen, ist ebenso wenig Händler, wie Derjenige, welcher die Natur- oder Kunstproducte verkauft, die Ergebnisse seines Fleißes sind. Der letztere liefert allerdings die Waaren in den Handel, d.h. der Händler kauft sie ihm ab, um sie wieder und zwar zu höhern Preisen zu verkaufen, aber man unterscheidet ihn als Producent von dem Kaufmann. Der Handel hat für die Menschen zunächst einen doppelten Nutzen, welchem er seine Entstehung verdankt, und um dessenwillen man dem Händler gern den Gewinn gönnt, welcher ihm zu Theil wird, indem er für die Waaren mehr sich bezahlen läßt, als er selbst bezahlt. Zunächst nämlich macht der Handel unter den in einem Staate zusammenlebenden Menschen eine Gewerbsthätigkeit möglich, durch welche die Einzelnen zu einer vollkommenern Befriedigung ihrer Bedürfnisse, zu einem höhern Wohlstande und allmälig zu allen den unschätzbaren Vorzügen gelangen, welche das Leben gebildeter Völker vor dem rohen Naturzustande der noch der Thierheit nahestehenden Völker auszeichnen. In dieser Beziehung ist der Handel in der That die Mutter aller Bildung. So lange nämlich jeder einzelne Mensch oder höchstens jede einzelne Familie für sich selbst Nahrung, Kleidung und was sonst zum Leben erfoderlich ist, sich bereiten muß, findet nicht allein eine Beschränkung auf Benutzung der in der nächsten Umgebung sich darbietenden Naturproducte statt, sondern überdies wird der Mensch, weil er allzu vielfach thätig sein muß, in keiner Art von Thätigkeit es zu einiger Vollkommenheit zu bringen vermögen und mit den meisten seiner Bedürfnisse bei der Einfachheit der Natürlichkeit stehen bleiben. Wer das Wild selbst jagen muß, mit dem er sich nähren soll, hat keine Zeit, es künstlich zuzubereiten, zumal wenn er auch noch selbst seine Kleider machen und sein Land bestellen soll. Der erste Schritt zu Verbesserung des Zustandes ist, daß die Einzelnen in die Arbeit sich theilen, ein Anderer die Kleider macht, ein Anderer auf die Jagd geht, ein Anderer das Feld bestellt, und daß Alle von ihren Erwerbnissen oder Erzeugnissen einander mittheilen; Jeder wird es dann in dem Erwerbzweige, auf den er alle Kräfte und Fleiß verwendet, so weit bringen, daß er mehr gewinnt als er selbst braucht, und daß er davon dem Andern ablassen kann gegen solches, was wieder dieser zu viel und er selbst zu wenig hat. Lebendigkeit aber kommt in diesen Verkehr erst dann, wenn es sich Menschen zur Beschäftigung machen, denselben zu vermitteln, Jedem Das abzunehmen, was er zu viel hat und ihm dagegen Das zuzuführen, was ihm fehlt.[323] Diese sind die Händler. Der Handel geht aber bald über die engen Grenzen hinaus, innerhalb welcher das Volk lebt, denn er ist seinem Wesen nach an das Volksinteresse nicht gebunden. Wie die einzelnen Menschen nicht im Stande sind, alle ihre Bedürfnisse zugleich angenehm und reichlich zu befriedigen, so auch nicht die einzelnen Völker, wenn mit der zunehmenden Bildung und Wohlhabenheit auch die Bedürfnisse sich gesteigert haben. Der Handel bringt nun, und dies ist sein zweiter Vortheil, die Völker der ganzen Erde miteinander in Verbindung und Alles, was die entlegensten Gegenden Bestes hervorbringen, führt er zum Genuß für Denjenigen herbei, der begütert genug ist, es sich anzuschaffen. Die großen Entdeckungen entlegener Länder sind fast sämmtlich nur in Handelsinteressen gemacht und benutzt worden, wir verdanken daher dem Handel mittelbar auch die Ausbildung der geographischen und naturwissenschaftlichen Kenntnisse; sowie es auch ausgebreitete Länderstrecken, ganze Welttheile gibt, welche den Handelsverbindungen mit den gebildeten Ländern Europas und Asiens ihre eigne Erhebung aus dem Zustande thierischer Roheit verdanken. Die Vortheile, welche der Handel in dieser Weise gebracht hat, sind in der That unberechenbar. Um aber zu derjenigen Blüte zu gelangen, welche er gegenwärtig erlangt hat und durch deren Ausbildung ihm allein seine großartigen Leistungen möglich wurden, mußten sich noch eigenthümliche Beförderungsmittel desselben ausbilden. Ein solches ist das Geld. So lange der Kaufmann noch Waare gegen Waare nehmen und geben muß, kann seine Thätigkeit nur eine sehr beschränkte sein, der Handel ist Tauschhandel (Barattohandel). Erst mit dem Gelde (s.d.) war eine Waare erfunden, die Jeder gern für seine feilgebotene Waare nimmt, weil er weiß, daß er für jenes niemals in seinem Besitz verderbende Eigenthum jederzeit jede andere Waare erlangen kann. Ein zweites Beförderungsmittel des Handels, welches sich frühzeitig herausstellte, ist der Credit (s.d.), der nicht allein dem Kaufmann die Mittel in die Hände gibt, größere Geschäfte zu unternehmen, sondern auch den Abschluß der Geschäfte selbst ungemein erleichtert und dadurch zugleich eine größere Wohlfeilheit der Waaren bewirkt, sodaß er gleich vortheilhaft für Verkäufer und Käufer ist. Auf dem Credit beruht dann auch die Erfindung der Anweisungen und Wechsel (s.d.), welche dem Handel eine ganz neue vervollkommnete Gestalt gegeben hat. Durch die Vervollkommnung der Schiffahrtskunde, welche mit der Zunahme unserer astronomischen, physikalischen und mathematischen Kenntnisse Hand in Hand gegangen ist, hat der Handel an Ausbreitung gewonnen. Wesentlichen Vortheil hat derselbe aber auch aus der Vervollkommnung des Fabrikwesens, sowie der Beförderungsmittel für Waaren, durch die Herstellung von Straßen und Kanälen und aus der öffentlichen Sicherheit in den verschiedenen Ländern gegen Straßenraub und unverschuldete Unglücksfälle gewonnen. In letzter Beziehung haben besonders auch die Versicherungsanstalten Verdienste, welche die bei ihnen nach ihrem Werth durch Einzahlung einer gewissen Summe versicherte Waare garantiren, indem sie jeden Schaden ersetzen, welcher während des Transports den Eigenthümer unverschuldeterweise trifft. Die Vortheile des Handels sind, auch abgesehen von seiner Wirksamkeit, als allgemeines Bildungsmittel so unendlich zahlreich und groß, daß wir sie eben darum fast ganz übersehen, wie wir auch die Wunder der Natur nicht mehr erblicken, weil sie uns zu nahe liegen. Der ärmste Mann kleidet sich bei uns in ausländische Stoffe (Baumwolle) und genießt aus andern Welttheilen eingeführte Waaren (Kaffee, Taback). Ja eine der nützlichsten und gewöhnlichsten Speisen, die Kartoffeln, ist ursprünglich auf dem Handelswege bei uns eingeführt worden. Der Handel ist der Beweis, daß in Wahrheit der Mensch der Herr der Erde ist.

Da durch die Meere die entlegensten Länder miteinander in Verbindung gesetzt sind, so sind die Seestädte diejenigen Plätze, in denen im Allgemeinen der Handel am blühendsten ist. Im Innern der Länder zieht er sich namentlich an solche Orte hin, welche eine günstige Lage, entweder zum Verkauf oder zum Transport der Waaren, haben. Städte an schiffbaren Flüssen zeichnen sich in dieser Beziehung aus. Privilegien und Freiheiten, einzelnen Städten vorzugsweise ertheilt, haben nach diesen, besonders in frühern Zeiten, den Handel hingezogen. Ehemals, als die Schiffahrt noch theils wegen Mangelhaftigkeit der Schiffahrtskunde, theils wegen Unsicherheit der Meere durch Seeräuber, theils endlich wegen mangelhafter geographischer Kenntnisse, sich fast nur auf Küstenfahrt beschränkte, mußten die Waaren meist zu Lande von einem Volke zum andern transportirt werden, und da auch die Länder keine sichern Straßen darboten, so schlossen sich meist größere Gesellschaften von Kaufleuten mit ihren Waaren einander an und machten ihre Reisen in Gemeinschaft, gewöhnlich noch unter militairischer Bedeckung. Ein solcher Handelszug wurde eine Karavane genannt, und diese Art des Handels selbst Karavanenhandel. Er ging von einer großen Handelsstadt zur andern und die Richtungen, welche hierbei verfolgt wurden, und theils von der gegenseitigen Lage dieser Orte, theils von der Örtlichkeit der zu durchziehenden Gegenden abhängig waren, wurden Handelswege genannt. Mit diesem Namen hat man indeß auch die Richtungen benannt, welche die im Seehandel dienenden Schiffe einzuschlagen pflegen. Neue Handelsstraßen werden sich ausbilden, wenn, wie zu erwarten steht, die Eisenbahnen mit Dampfwagen in Europa eine größere Ausdehnung gewinnen und dasselbe wie ein Netz überziehen werden.

Da zum Betreiben des Handels, besonders wenn derselbe in ferne, vielleicht wenig äußere Sicherheit darbietende Gegenden und auf kostbare Waaren gerichtet ist, große Geldsummen erfoderlich sind, so vereinigen sich sehr häufig mehre vermögende Kaufleute zu demselben Zwecke. Solche Vereine heißen' Handelsgesellschaften oder Handelscompagnien. Die Gesellschaft pflegt Directoren einzusetzen, denen die Leitung ihrer Angelegenheiten anvertraut wird. Die Vortheile, welche durch den gemeinsamen Handel erworben werden, pflegen nach Maßgabe der gemachten Zuschüsse getheilt zu werden; die Privilegien u. dgl., welche die Compagnie genießt, erstrecken sich nur auf die Geschäfte, welche in aller Mitglieder Interesse vor sich gehen, und für die Schulden der Gesellschaft haften alle Mitglieder mit ihrem gesammten Vermögen. Stille Gesellschafter sind solche, welche zu dem Gesellschaftscapital eine bestimmte Summe zuschießen, unter der Bedingung, daß ihnen dieses Geld ebenso verinteressirt werde, wie den wirklichen Mitgliedern ihr zugeschossenes Geld. Indem sich diese stillen Gesellschafter des Rechts, bei der Leitung der Angelegenheiten der Compagnie mitzusprechen, begeben, übernehmen sie auch nicht die [324] Verantwortlichkeit derselben, und können bei Verlusten höchstens das beigesteuerte Capital einbüßen. Zu den bedeutendsten Handelsgesellschaften gehörten die verschiedenen ostind. Compagnien (s. Ostindien); aber auch alle die neuerdings so häufig gewordenen Actiengesellschaften (s. Actie) zur Herstellung von Eisenbahnen, Kanälen u. dgl. sind wenigstens in gewisser Beziehung hierher zu rechnen. Handelsgesellschaft wird jedoch auch die Innung oder der Verein aller Kaufleute einer Stadt genannt, der den Zweck hat, für alles Dasjenige zu sorgen, was im Interesse des gesammten Handelsstandes an gemeinnützigen Einrichtungen oder Anstalten (z.B. Börse, Waarenhäuser u. dgl.) unternommen wird. Endlich führen denselben Namen auch diejenigen Gesellschaften, welche den Genuß gewisser Privilegien oder Verbindlichkeiten theilen, von denen aber jeder auf eigne Hand sein Geschäft führt und in deren Zahl jeder unter gewissen Bedingungen eintreten kann.

Da mit dem Gedeihen des Handels das Wohl der Staaten so eng verknüpft ist, so haben die Regierungen, seitdem dieselben die Sorge für das Wohl der Staatsbürger in jeder Beziehung zu wachen sich angelegen sein lassen, auch dem Handel eine vorzügliche Aufmerksamkeit gewidmet. Im Allgemeinen ist es gewiß, daß es einem Lande vortheilhafter ist, wenn die Ausfuhr desselben stärker als die Einfuhr ist, denn jene führt Geld ein, diese aus, ja wenn ein allzu großes Misverhältniß zwischen Einfuhr und Ausfuhr stattfindet, so muß dieses nothwendig Verarmung zur Folge haben. Um den Staat in der eben angegebenen Rücksicht beurtheilen zu können, haben die Regierungen Ausfuhr und Einfuhr in der sogenannten Handelsbilanz miteinander verglichen. Diese Berechnung kann stets nur sehr unsicher sein, schon darum, weil die Regierungen nie die Einkaufspreise der Waaren in Erfahrung bringen können, und daher lassen sich auch alle auf sie gestützten Maßregeln in ihren Folgen nicht streng berechnen. Die Erfahrung hat dagegen im Allgemeinen den Beweis geliefert, daß der Handel bei völliger Handelsfreiheit am meisten blüht und am ehesten eine dem allgemeinen Wohl nützliche Richtung nimmt. Dies liegt insofern auch in der Natur der Sache, als sich Ausfuhr und Einfuhr, Einkauf und Verkauf von selbst reguliren, denn wo es keine Menschen gibt, welche Geld erwerben, da gibt es auch keine Käufer, und nach dem Erwerb richtet sich überhaupt im Allgemeinen der Verbrauch. Gewiß ist es, daß die Beschränkung der Handelsfreiheit in Bezug auf Einfuhr ausländischer Fabrikate, wenigstens auf eine gewisse Zeit, dem Aufschwung der inländischen Gewerbe höchst vortheilhaft werden kann. Indeß steigert sich bei einem thätigen Volke grade durch die Concurrenz die Industrie am meisten. Die Staaten haben nun zur Förderung des Handels und zur Aufhebung bisher stattgefundener Hemmungen untereinander mancherlei Verträge geschlossen, sogenannte Handelsverträge. Um den Bedürfnissen des Volkes abzuhelfen oder der Betriebsamkeit desselben einen höhern Aufschwung zu geben, haben die Regierungen zuweilen Handelsprämien, d.h. Belohnungen an Diejenigen ertheilt, welche nachweisen konnten, daß sie gewisse Waaren in größern Quantitäten entweder eingeführt oder ausgeführt hätten. Doch hat sich dieses Verfahren im Allgemeinen nicht als zweckmäßig erwiesen. Förderlich, ja zum Gedeihen des Handels durchaus nothwendig ist es, daß der Staat den Handel in Bezug auf die eigenthümlichen, in ihm sich ausbildenden Rechtsverhältnisse in Schutz und Obhut nimmt. Die für den Handel speciell geltenden Rechtsgrundsätze, namentlich auch die dem Handel gestatteten Vorrechte, sowie die in einem Staate geltenden Einschränkungen desselben, machen in ihrer Gesammtheit das Handelsrecht aus. Zuweilen nennt man so auch das einer Person ertheilte Recht, Handel zu treiben. Die den Handel betreffenden Rechtsangelegenheiten erfodern, besonders in großen Handelsstaaten, eine schleunige Abmachung; auch kommt es bei denselben auf Sachkenntniß in Bezug auf die Handelsverhältnisse vorzugsweise an. Aus diesen Gründen sind in den meisten größern Handelsstädten eigne Handelsgerichte eingesetzt, welche, mit den nöthigen Vollmachten versehen, alle auf den Handel bezüglichen Rechtsangelegenheiten zu versehen haben. Außer Juristen sind auch eine gewisse Anzahl von Kaufleuten Beisitzer dieses Gerichts. Um ferner das Interesse des Handels im Großen wahrzunehmen, bestehen in einigen Staaten an verschiedenen für den Handel wichtigen Orten Vereinigungen von Kaufleuten unter dem Namen von Handelskammern, Handelscollegien oder Commerzkammern. Um endlich gewisse, unter Umständen gefährliche Waaren zu beaufsichtigen, daß aus ihnen nicht ein Nachtheil für das Volk erwachsen könne, ist in allen gebildeten Staaten eine eigne Handelspolicei eingesetzt. Dieselbe hat zu wachen, daß aus Gegenden, in denen pestartige, ansteckende Krankheiten herrschen, keine Waaren eingeführt wer den, daß Schiffe, die aus solchen Gegenden kommen, die gehörige Quarantaine halten, daß mit leicht entzündlichen und giftigen Waaren vorsichtig umgegangen werde, daß im Buchhandel verbotene Schriften nicht ins Publicum gebracht werden und dergleichen. – In allen Rechtsangelegenheiten, welche sich auf den Handel beziehen, wird den Handlungsbüchern der Kaufleute ein besonderes Zutrauen geschenkt. Um die erfoderliche Ordnung im Geschäft zu erhalten, müssen nämlich verschiedene Bücher (s. Buchhalterei) geführt werden, welche sich gegenseitig controliren und in denen sowol aus diesem Grunde, als weil sie ununterbrochen fortgeführt werden, Verfälschungen nicht wohl vorkommen können. Man legt ihnen daher besonders bei Geldstreitigkeiten unter Kaufleuten einen hohen Grad von Beweiskraft bei, wie solche die Rechnungsbücher von Privatpersonen nicht haben. Die Gesetze der verschiedenen Staaten enthalten jedoch in dieser Beziehung verschiedene Bestimmungen, und vor Allem ist nöthig, daß sich solche Bücher in der vollkommensten Ordnung befinden.

Der tüchtige Kaufmann bedarf zu erfolgreicher Betreibung seines Geschäfts einer nicht unbedeutenden Menge von Kenntnissen, welche theils allgemeiner Art sind, theils auf einzelne Handelsgegenstände sich beziehen. Die Gesammtheit aller dieser Kenntnisse faßt man unter dem Namen der Handelswissenschaft zusammen. Buchhaltung, Waarenkunde, Kenntniß der Münzsorten und ihrer Curse, der Staatspapiere, des Wechselrechts, der Geographie, der Rechenkunst u.s.w. gehören zu dieser Wissenschaft. Da der gewöhnliche Gang, in dem die Handlung erlernt werden muß, der ist, daß der junge, zum Handelsstande bestimmte Mensch bei einem Kaufmann als Lehrling eintreten und später als Commis in irgend einem Handelshause serviren (dienen) muß, so hat er wenig Gelegenheit sich anders [325] als practisch auszubilden, und es ist dem Zufall überlassen, welcher Geschäftszweig sich ihm auf diese Weise vorzüglich zur Erlernung darbietet. Aus diesem Grunde hat man in neuerer Zeit in verschiedenen Handelsstädten eigne Handelsschulen errichtet, welche dem Jünglinge Gelegenheit bieten, sich umfassender und vollständiger auszubilden. Hier wird er auch angehalten, bisher versäumte Vorkenntnisse sich anzueignen. Die älteste derartige Anstalt ist die 1767 zu Hamburg gestiftete Handelsakademie. Später wurden auch zu Lübeck, Düsseldorf, Paris, Berlin, Magdeburg, Karlsruhe, Gotha, Leipzig und an vielen andern Orten des In- und Auslandes Handelsschulen errichtet, welche, wie sie verdienen, großen Beifall erworben und nicht wenig zur gegenwärtigen Blüte des Handels beigetragen haben.

Von dem reellen und soliden Handel, von dem bisher gesprochen wurde und welcher wirklich Waaren ein- und ausführt, unterscheidet sich der Scheinhandel, bei dem nur Geld- oder Geldeswerth aus einer Hand in die andere geht, ohne daß eine dem Werth entsprechende Waare dafür eingetauscht wird. Solcher Scheinhandel besteht meist in einem bloßen Wetten, z.B. auf das Steigen oder Fallen von Staatspapieren, Actien u. dgl. Auch an wirkliche Gegenstände schließt sich der Scheinhandel an, so z.B. im 17. und 18. Jahrh. an den Blumenhandel. (S. Blume). Nicht weniger unsolid ist der Schleichhandel, welcher im heimlichen Einführen solcher Waaren in ein Land besteht, deren Einfuhr entweder gänzlich untersagt, oder doch mit einem hohen Zoll belegt ist, weil aus der Entdeckung solcher Einfuhr allemal ein unersetzbarer Schade für Käufer oder Verkäufer entsteht. Solcher Handel ist überdies für die Sittlichkeit Derer, welche ihn betreiben, vom nachtheiligsten Einfluß, weil er stets ein Betrug gegen den Staat und ein Übervortheilen seiner Mitbürger ist, welche sich nicht dem unehrenhaften Gewerbe unterziehen mögen, und weil endlich an den Grenzen durch ihn eine Art von Kriegszustand zwischen den vom Staat angeordneten Aufsichtspersonal und den Schleichhändlern erhalten wird, der schon oft zu den entsetzlichsten Verbrechen Veranlassung gegeben hat. Von Seiten der Sittlichkeit zu verdammen sind alle Zweige des Handels, welche der Menschheit keinen wahren Nutzen bringen, sondern gereichen derselben zur Entwürdigung. Der Handel mit unsittlichen Schriften und Bildern, besonders aber der Sklavenhandel, sind solche in tiefster Bedeutung verächtliche Handelszweige. – Da nun der Verkauf im Kleinen und Einzelnen viele Zeit kostet, welche der Einkäufer großer Massen nicht abwarten kann, so haben sich zwei wesentlich verschiedene Handelszweige ausgebildet: der Großhandel und der Kleinhandel. Der Großhändler bezieht die Waaren aus fernen Gegenden, aus Fabriken u. dgl. und verkauft sie an die Kleinhändler oder Kramer auch noch in ansehnlichen Partien; diese endlich verkaufen sie in beliebig großen Theilen an Diejenigen, welche sie verbrauchen. In vielen Städten steht nur den Kramern frei, einen offenen Verkaufsladen zu halten, und die Kramer werden hiernach von den Kaufleuten, den Großhändlern, unterschieden. – In Bezug auf das Land oder den Staat, in welchem der Kaufmann einheimisch ist, unterscheidet man den im Innern des Landes betriebenen Binnenhandel von dem Handel ins Ausland; ferner den Handel, welcher Waaren einführt, die im Lande selbst verbraucht (consumirt werden), den Consumtioshandel von dem Transito-, d.h. Durchfuhrhandel, der Waaren aus einem fremden Lande bezieht, um sie wieder in ein anderes fremdes Land zu verkaufen. Bezieht Derjenige, welcher die Waaren braucht, sie unmittelbar von Demjenigen, der sie herstellt, so ist der Handel direct, liegt dagegen der Handel in den Händen von Mittelspersonen, so findet Zwischenhandel statt. Der letzte ergibt sich von selbst unter Ländern, welche ihrer geographischen Lage oder politischer Verhältnisse wegen nicht wol in directer Handelsverbindung stehen können; ist aber zuweilen auch ein durch gesetzliche Handelsbeschränkungen künstlich herbeigeführter Zustand, der wol dem Lande, in dessen Händen der Zwischenhandel liegt, selten aber den Gegenden Vortheil bringt, welchen ein directer Handel verwehrt ist. Die Engländer haben Versuche gemacht, sich ganz Europa zu Zwischenhändlern aufzudringen, und den engl. Colonien ist es durch Gesetz verboten, einen directen Handel mit dem Auslande zu treiben. Eigenthümliche Arten des Zwischenhandels sind der Commissionshandel, welcher im Ankauf und Verkauf von Waaren in Auftrag und auf Rechnung eines Andern besteht, und der Speditionshandel, welcher fremde Waaren da, wo eine Umpackung derselben, z.B. der in Schiffen angekommenen auf Frachtfuhrwerk, nöthig, oder irgend ein anderes Geschäft mit denselben vorzunehmen ist, ehe dieselben in die Hände des eigentlichen Käufers gelangen können, alles Nöthige in Ausführung bringt. Beide letzterwähnten Handelsarten nehmen an etwaigen Verlusten der Käufer oder Verkäufer nicht Theil und am Gewinn nur insofern, als sie für ihre Mühwaltung eine gewisse Entschädigung erhalten. Activhandel heißt endlich derjenige Handel, den eine Nation durch ihre eignen Kaufleute im Auslande betreibt, entgegengesetzt dem Passivhandel, welcher im Lande von fremden Kaufleuten betrieben wird.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 323-326.
Lizenz:
Faksimiles:
323 | 324 | 325 | 326
Kategorien:

Buchempfehlung

Lohenstein, Daniel Casper von

Epicharis. Trauer-Spiel

Epicharis. Trauer-Spiel

Epicharis ist eine freigelassene Sklavin, die von den Attentatsplänen auf Kaiser Nero wusste. Sie wird gefasst und soll unter der Folter die Namen der Täter nennen. Sie widersteht und tötet sich selbst. Nach Agrippina das zweite Nero-Drama des Autors.

162 Seiten, 8.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon