Magdeburg

Magdeburg

[12] Magdeburg, die Hauptstadt des gleichnamigen Regierungsbezirks und der preuß. Provinz Sachsen und eine der wichtigsten Festungen, hat 47,000 Einw. und liegt in einer Ebene am linken Ufer der Elbe, über welche hier stromabwärts die letzte Brücke führt, und von der sich oberhalb der Stadt ein Haupt- und ein Nebenarm absondern und unterhalb wieder mit ihr vereinigen.

M. besteht aus der Altstadt, dem Neumarkt, der Friedrichsstadt oder Thurmschanze, der auf einer Insel erbauten Citadelle und den außerhalb der Werke liegenden Vorstädten Sudenburg und Neustadt, die, als der Vertheidigung hinderlich, 1806 von den Preußen, beide aber 1813 von den Franzosen zerstört, seit 1818 jedoch, letztere zum Theil unter den Kanonen der Festung, wiederhergestellt worden sind. Über den Hauptarm der Elbe führt die lange Brücke aus der Stadt in die Citadelle, Aufziehbrücken bilden die Verbindung über die andern Elbarme, und am rechten Elbufer führt die 1820 erbaute, 1080 F. lange Friedrich-Wilhelmsbrücke über die Elbniederung auf die Straße nach Berlin. Die Stadt ist zwar meist eng und winklich, jedoch größtentheils gut gebaut; die schönste Straße ist der breite Weg; die vorzüglichsten Plätze sind der alte Markt und der mit Alleen und schönen Gebäuden umgebene Domplatz. Auf dem alten Markt befindet sich eines der ältesten Kunstdenkmäler Deutschlands, die Bildsäule Kaiser Otto I., gest. 973, zu Pferde und zu seinen Füßen seine beiden Frauen unter einer Kuppel auf acht Säulen, welche jedoch spätern Ursprungs sind. M. erhielt durch ihn große Schenkungen und Vorrechte, auch stiftete er daselbst ein Erzbisthum und eine Domkirche, welche indessen nicht an der Stelle der jetzigen, sondern an der nordöstl. Seite des Domplatzes stand und am 20. Apr. 1207, einem Charfreitage, mit einem großen Theil der Stadt abbrannte. Aber schon innerhalb der nächsten drei Jahre ward der Bau des noch vorhandenen, nachstehend abgebildeten Doms, der zu den schönsten altdeutschen Baudenkmalen im nördl. Deutschland gehört, auf dem Platze eines von Otto I. ebenfalls gestifteten und mit niedergebrannten Benedictinerklosters begonnen. Die Einweihung erfolgte am 22. Oct. 1363 zu Ehren des h. Mauritius und der h. Katharina, die beiden, 232 F. hohen Thürme wurden jedoch erst 1520 vollendet. Das Hauptschiff des Doms bildet ein Kreuz, ist 108 F. hoch und sein Gewölbe wird von 12, mit Einschluß des hohen Chors von 22 Hauptpfeilern getragen. Außer einem Hochaltar von Jaspis enthält er noch 45 kleine Altäre, einen ungeheuren Taufstein von Porphyr, das Grabmal Kaiser Otto I. und seiner ersten Gemahlin Editha, die zuerst im Benedictinerkloster beigesetzt worden war, und viele alterthümliche Merkwürdigkeiten und Kunstdenkmale, unter denen sich auch ein Werk des berühmten nürnberger Rothgießers Peter Vischer, das Grabmal des Erzbischofs Ernst von Sachsen, befindet. Die große Orgel ist mit vielem vergoldeten Schnitzwerk und beweglichen Figuren geziert, die jährlich noch in der neuesten Zeit am Nachmittage des Michaelissonntags vor der aus Stadt und Umgegend sich dazudrängenden Menge in Bewegung gesetzt wurden, wobei auch ein vergoldeter Hahn mit den Flügeln schlug und dreimal krähete. Seit 1811 diente der Dom als Magazin und wurde am 21. Aug. 1819 wieder zum Gottesdienst eröffnet, seitdem aber gänzlich hergestellt, wozu der König von Preußen eine namhafte Summe bewilligte. Andere ausgezeichnete öffentliche Gebäude sind noch das 1691 erbaute Rathhaus, die Dompropstei oder das Fürstenhaus, das Landschaftshaus und die Artilleriecaserne. M. ist der Sitz des Oberpräsidenten der Provinz, einer Regierung, eines evangelischen Bischofs, des Generalcommandos des vierten Armeecorps und mehrer hoher Behörden; es bestehen daselbst ein Pädagogium, Domgymnasium und Landschullehrerseminar, eine höhere Gewerbs- und Handelsschule und mehre öffentliche Bildungsanstalten und wohlthätige Stiftungen. Hauptnahrungszweige sind der höchst wichtige Handel, den jährlich zwei Messen und die Wollmärkte begünstigen, die wichtige Schiffahrt und das ansehnliche und mannichfaltige Fabrikwesen.

M. ist eine sehr alte Stadt und soll seinen Namen von dem Dienste der Freya oder Magada, der Venus der alten Deutschen, erhalten haben, führt auch ein Frauenbild mit einem Kranze in der Hand im Wappen, erhielt schon von Karl dem Großen die jetzt wieder aufgehobene Stapelgerechtigkeit und war in der Zeit nach Otto I. die Hauptstadt des nördl. Deutschlands. Seit 1522 der Reformation ergeben, wurde M. wegen verweigerter Annahme des auf dem Reichstage zu Augsburg 1548 von Kaiser Karl V. ertheilten sogenannten Interim, oder wie es in streitigen Religionssachen einstweilen zu halten sei, in die Acht erklärt, zur Vollziehung derselben vom Kurfürsten Moritz von Sachsen vom 16. Sept. 1550 bis 9. Nov. 1551 belagert, wo es durch Vertrag auf leidliche Bedingungen überging. Es behielt sogar seine Mauern und bekam 1554 das dabei verlorene Stapelrecht wieder. Während des dreißigjährigen Krieges hielt M. 1629 eine 28 Wochen lange Belagerung aus, fiel aber bei einer zweiten im Jahre 1631, und da Gustav Adolf von Schweden durch die Kurfürsten von Brandenburg und von Sachsen am beabsichtigten schleunigen Entsatz gehindert wurde, nach hartnäckiger Vertheidigung der dasigen Bürger am 10. Mai alten Styls (20. Mai neuen Styls) durch einen vor beabsichtigter Aufhebung der Belagerung versuchten [12] letzten Sturm in des kais. Feldherrn Tilly (s.d.) Gewalt. Der Kampf dauerte dabei noch in den Straßen der unglücklichen Stadt fort, welche drei Tage lang der grauenvollsten Verheerung durch Plünderung, Mord und Brand preisgegeben blieb, wovon der Sieger selbst an den Kaiser Ferdinand meldete: »Seit Trojas und Jerusalems Zerstörung ist keine solche Victoria gesehen worden.« Über 20,000 Einwohner jeden Standes, Alters und Geschlechts kamen dabei in den Flammen und unter allen erdenklichen Mishandlungen um, denen zu entgehen viele Jungfrauen den gemeinsamen Tod in der Elbe suchten; die wilden Soldaten zechten auf Leichenhaufen und nannten das die magdeburgische Hochzeit. Nur den Dom, eine andere Kirche und etwa 130 Häuser am Elbufer hatte der Brand verschont, und erst am vierten Tage wurden die etwa 4000 Menschen, welche sich in den Dom geflüchtet und eingeschlossen hatten, sowie die wenigen außerdem lebendig Gebliebenen ihres Daseins wieder sicher. Im Jahre 1632 ward die von den Kaiserlichen geräumte Stadt von den Schweden besetzt, hierauf 1636 abermals von den Kaiserlichen und den Sachsen belagert und durch Übereinkunft übergeben. Später kam M. an Brandenburg, wurde fortwährend verstärkt, aber 1806 dennoch von dem preuß. Commandanten Kleist schon nach vierzehntägiger Blockade an den franz. General Ney übergeben. Seit 1807 gehörte M. zu dem von Napoleon errichteten Königreiche Westfalen und wurde erst den 24. Mai 1814 wieder an die Preußen übergeben, welche ten Platz seit 1813 eingeschlossen hielten.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 12-14.
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