Karl V.

[553] Karl V., röm.-deutscher Kaiser 1519–58 und schon seit 1516 König von Spanien, war geboren zu Gent in [553] den Niederlanden am 24. Febr. 1500, ein Sohn des Erzherzogs Philipp von Östreich und der span. Infantin Isabella. Durch seinen Vater, welcher ein Sohn des Kaisers Maximilian und Maria's, der einzigen Tochter Karl's des Kühnen, letzten Herzogs von Burgund, war, hatte K. Ansprüche auf die östr. Besitzungen, auf Burgund und auf die deutsche Kaiserwürde, während er mütterlicher Seits ein Enkel Ferdinand V. und Isabellens war und dadurch Erbe der unermeßlichen span. Besitzungen. In den Niederlanden, welche dem span. Scepter gehorchten, wurde K. erzogen und nach dem Tode Ferdinand V. wurde er König von Spanien, doch führte die Regierung noch der Cardinal Ximenes, seines Großvaters berühmter Minister, segensreich fort. K.'s Vater, Philipp der Schöne, war schon frühzeitig gestorben und seine Mutter Isabella war in Wahnsinn verfallen. Der junge König hatte sich nach Spanien begeben und lebte hier nur dem Vergnügen. Als 1519 Kaiser Maximilian I. gestorben war, traten sein Enkel Karl V. und der berühmte franz. König Franz l. als Bewerber um die deutsche Kaiserwürde auf und der Umstand, daß K. gewählt wurde, wozu noch dessen Ansprüche auf Burgund kamen, das Frankreich unrechtmäßig an sich gerissen hatte, wurde die Ursache langer blutiger Kriege zwischen beiden Fürsten. Karl V. war der erste deutsche Kaiser, welcher, weil man fürchtete, er könne seine große Macht zur Unterdrückung der Rechte des Reichs benutzen, eine Wahlcapitulation unterzeichnen mußte. In derselben versprach er als Kaiser ohne der Kurfürsten Einwilligung keinen Krieg führen und keinen Frieden schließen zu wollen, kein fremdes Kriegsvolk in das Reich zu bringen, Reichs- und Hofämter nur mit geborenen Deutschen zu besetzen, keinen Stand des Reichs unverhört in die Reichsacht zu erklären u.s.w., gegen welche Versprechungen er sich später in der Noth der Umstände allerdings mehrfach verging. Nachdem K. Kaiser geworden war, ging in seinem Wesen eine gänzliche Veränderung vor, indem er von nun an einen hohen würdevollen Ernst und ein streng sittliches Leben annahm. Nur ein großer Mann konnte ein so gewaltiges Reich in so schwierigen Zeiten regieren, und wenn die eifrigen Bestrebungen K.'s, durch mildes Zureden sowol als durch kriegerische Strenge die durch die Religionsspaltungen gestörte Einheit Deutschlands herzustellen, erfolglos blieben, so war hieran nur der Umstand Schuld, daß der Gegenstand, welcher die Gemüther entzweite, allzu großartiger Natur war, als daß irgend ein Mensch im Stande gewesen wäre, ihn zu bewältigen. Nach seiner Wahl eilte K. sogleich nach Deutschland und wurde zu Aachen mit unerhörter Pracht gekrönt. Hierauf berief er den Reichstag zu Worms, auf welchem 1521 die Angelegenheiten der Kirche in Untersuchung gezogen werden sollten. K. wurde durch Luther nicht überzeugt und hielt es überdies für seine Pflicht, als Schirmherr der katholischen Kirche aufzutreten. Zwar lehnte er es bestimmt ab, Luther'n, der einen kaiserl. Geleitsbrief erhalten hatte, wie einst Kaiser Sigismund den Huß (s.d.) trotz dem freien Geleite als einen Ketzer, dem man nicht Wort zu halten brauche, sogleich festnehmen zu lassen, aber nach dessen Abreise erschien ein kaiserl. Edict, durch welches gegen Luther, sowie Alle, welche ihm ferner anhängen und ihn beschützen würden, die Reichsacht ausgesprochen wurde. Luther's Bücher sollten überall verbrannt und er selbst dem Kaiser ausgeliefert werden. In demselben Jahre brach nun auch der Krieg mit Frankreich aus. Während die Franzosen in Spanien siegreich waren, wurden sie in den Niederlanden geschlagen. Bald entschied sich das Glück für K. auf die glänzendste Weise. Das Herzogthum Mailand, ein deutsches Reichslehen, war von Franz I. in Besitz genommen worden und überdies suchte dieser auch veraltete Ansprüche auf Neapel geltend zu machen; daher entbrannte der Krieg am lebhaftesten in Italien. Herzog Karl von Bourbon, ein ausgezeichneter franz. Feldherr, ging zu K. über; bald wurden die Franzosen aus Italien vertrieben. Aber Franz I. drang wieder vor, eroberte Mailand und belagerte Pavia. Hier kam es 1525 zur entscheidenden Schlacht, in welcher König Franz selbst gefangen genommen wurde. K. ließ ihn nach Madrid bringen und entließ ihn erst nach Jahresfrist unter harten Bedingungen, welche Franz zwar feierlich beschwor, aber nicht hielt. Hierüber machte ihm nun K. schwere Vorwürfe, sagte ihm, daß er weder als Edelmann noch als Fürst gehandelt habe, und es kam unter den beiden Fürsten zu einer Herausfoderung zum Zweikampfe, der indeß nicht abgehalten worden ist. Die unter dem Herzog von Bourbon noch in Italien stehenden Truppen rückten indeß, wie K. feierlich versicherte, ohne sein Wissen und wider seinen Willen 1527 gegen Rom vor, eroberten es und belagerten den Papst, welcher es allerdings mit Franz I. hielt, in der Engelsburg, bis er sich mit einer großen Summe Geldes loskaufte, welche die Soldaten als rückständigen Sold in Anspruch nahmen. K. war während der Zeit in Spanien, ließ für den Papst öffentlich in den Kirchen beten und legte mit seinem Hofe Trauer um das unglückliche Ereigniß an. K. ist wegen dieser Vorfälle, die nicht ohne sein Vorwissen geschehen sein sollen, der Falschheit angeklagt worden. Nachdem der Krieg mit Frankreich vortheilhaft für den Kaiser durch den Frieden von Cambray 1529 beendet worden war, wurde K. zu Bologna zum Könige der Lombardei und vom Papste zum röm. Kaiser gekrönt. Vergebens bemühte sich K. im folgenden Jahre auf dem Reichstage zu Augsburg, die katholische und protestantische Partei in Deutschland zur Versöhnung zu bringen. Das endliche Resultat waren ein kais. Decret, durch welches die lutherische Lehre von Neuem als Ketzerei verdammt wurde und der schmalkaldische Bund, zu welchem die protestantischen Mächte zusammentraten. Bleibendes Verdienst um die deutsche Rechtspflege erwarb sich K. durch die 1532 publicirte Halsgerichtsordnung (s.d.). Nach dem augsburgischen Reichstage hatte K. zu Köln 1531 die Kurfürsten bewogen, seinen Bruder Ferdinand zum röm. Könige zu erwählen. Ein vorläufiger Religionsfriede kam 1532 zu Nürnberg mit den Protestanten zu Stande. Die protestantischen Fürsten erfüllten nach wie vor ihre Lehnspflicht, und als K. ein Heer gegen die Türken sammelte, stellten auch die Protestanten ihren Antheil. Nachdem der türk. Sultan zum Rückzuge genöthigt worden war, unternahm K. V. 1535 einen Zug nach Tunis, durch welchen er 20,000 Christen aus der Sklaverei befreite. Aufs Neue brach der Krieg mit Frankreich aus, ohne daß es jedoch zu einer Entscheidung gekommen wäre, und 1537 wurde ein Waffenstillstand geschlossen, der im folgenden Jahre auf zehn Jahre verlängert wurde. K. V. und Franz I. kamen selbst zu Aiguesmortes an der Mündung der Rhone zusammen und es herrschte von nun an eine Zeit lang ein freundschaftliches Verhältniß zwischen [554] beiden Monarchen. Nach Deutschland kehrte K. 1541 zurück, nachdem er eine Empörung zu Gent in den Niederlanden unterdrückt hatte. Es wurde der Reichstag zu Regensburg gehalten, auf welchem K. abermals bemüht war, eine Verständigung beider Religionsparteien zu bewirken. Noch in demselben Jahre unternahm K. einen Zug gegen Algier, aber die Jahreszeit war ungünstig, und nach vielen Beschwerden und personlichen Gefahren mußte er ohne Erfolg heimkehren. Indeß hatte auch Franz I. neue Feindseligkeiten begonnen, aber ohne Glück, und nachdem K. 1543 den abtrünnigen Herzog von Kleve gezüchtigt und den Reichstag in Speier gehalten hatte, rückte er 1545 in Frankreich ein, drang bis zu zwei Tagereisen von Paris vor und schloß den Frieden zu Crespy, welcher den frühern Zustand wiederherstellte. K. mußte trotz der Vortheile, welche er errungen hatte, in diesen Frieden willigen, weil die deutschen Angelegenheiten immer schwieriger wurden. Da die protestantischen Fürsten auf keine Weise nachgaben, so erklärte endlich K. 1546 die Häupter des schmalkaldischen Bundes in die Reichsacht und trat gegen sie in offenen Kampf. Johann Friedrich (s.d.), der Kurfürst von Sachsen, fiel 1547 in der Schlacht bei Mühlberg in seine Hände und auch der Person des Landgrafen von Hessen-Kassel bemächtigte er sich. Als bei Übergabe des Kurfürstenthums an den Herzog Moritz von Sachsen der Kaiser in Wittenberg sich aufhielt, wollte er nicht, daß man um seinetwillen die Ausübung des protestantischen Gottesdienstes einstellte, und als einige Eiferer ihm den Rath gaben, die Gebeine Luther's aus dessen Grabe, welches er besuchte, herauswerfen zu lassen, erwiderte der Kaiser: »Ich führe nicht Krieg mit den Todten; er ruhe in Frieden; er steht bereits vor seinem Richter!« Das Interim (s.d.), welches K. in Folge des Reichstags zu Augsburg 1548 erließ, hatte abermals eine endliche Vereinigung der Religionsparteien zum Zweck. Ein gefährlicher und unerwarteter Feind trat dem Kaiser in dem Kurfürsten Moritz von Sachsen entgegen, welcher sich mit dem franz. König Heinrich II., dem Nachfolger Franz I., verbunden hatte, K. in Tirol überfiel und ihn fast selbst in Innsbruck gefangen genommen hätte. Von der Gicht heimgesucht, mußte sich der Kaiser in einer Sänfte des Nachts forttragen lassen. Moritz überließ das kaiserl. Schloß zu Innsbruck der Plünderung und begab sich darauf auf die nach Passau berufene Fürstenversammlung. Hier unterhandelte der Kaiser durch seinen Bruder Ferdinand mit Moritz und seinen Verbündeten wegen des Friedens, worauf 1552 der passauer Vertrag zu Stande kam, welcher dem Landgrafen von Hessen die Freiheit wieder verschaffte. Nun wendete sich K. trotz seiner fortwährenden Kränklichkeit gegen Frankreich, ohne jedoch zu einem befriedigenden Erfolge zu gelangen. Auf dem Reichstage zu Augsburg 1555 ward der passauer Vertrag bestätigt. K. sah alle seine großartigen Pläne mehr oder weniger durch das Misgeschick der letzten Jahre vereitelt und war überdies von fortwährender Kränklichkeit heimgesucht, daher versammelte er 1555 die niederländ. Stände zu Löwen und übertrug hier seinem Sohne Philipp die Regierung der Niederlande, nachdem er in einer feierlichen Rede geschildert hatte, wie er sein ganzes Leben dem Wohle der Religion und seiner Unterthanen gewidmet habe und jetzt, da ihm die Kräfte immer mehr schwänden, seine letzten Lebenstage Gott widmen wolle. Im folgenden Jahre übergab er seinem Sohne auch die span. Regierung und machte sich nur ein Jahrgeld von 12100 Dukaten aus. Sein letztes Werk war die Vermittelung des Waffenstillstandes mit Frankreich, welcher 1556 zu Vaucelles abgeschlossen wurde. Er machte noch einen Versuch, seinem Sohne die deutsche Kaiserkrone zu verschaffen, und dankte, als derselbe fehlgeschlagen war, förmlich ab. Im Sept. 1556 schiffte sich K. nach Spanien ein und ging hier in das Hieronymitenkloster St.-Just in Estremadura, wo er noch zwei Jahre in klösterlicher Einsamkeit nur mit Andachtsübungen und künstlichen Handarbeiten beschäftigt, lebte. Es wird erzählt, er habe zwei Uhren verfertigt und sich lange vergeblich bemüht, dieselben in völlig gleichmäßigen Gang zu bringen; endlich habe er ausgerufen: »Nicht einmal zwei Uhren, die meiner eignen Hände Werk sind, vermag ich in Übereinstimmung zu bringen und unternahm es in thörichtem Sinne, so viele von Natur verschiedene Völker zu Einer Überzeugung zu zwingen!« Es wird auch erzählt, daß K. kurz vor seinem Tode sein eignes Leichenbegängniß habe begehen lassen. Er ließ sich im offenen Sarge feierlich in die Kirche tragen und hier wurde für ihn ein Todtenamt gehalten. Bald darauf starb er 1558. Ehe er von Krankheit niedergebeugt wurde, war er ein schöner, stattlicher Mann mit hellem Haar und blauen Augen. Auf seinem blassen Gesicht ruhte stets ein tiefer, Ehrfurcht einflößender Ernst.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 553-555.
Lizenz:
Faksimiles:
553 | 554 | 555
Kategorien:

Buchempfehlung

Lewald, Fanny

Jenny

Jenny

1843 gelingt Fanny Lewald mit einem der ersten Frauenromane in deutscher Sprache der literarische Durchbruch. Die autobiografisch inspirierte Titelfigur Jenny Meier entscheidet sich im Spannungsfeld zwischen Liebe und religiöser Orthodoxie zunächst gegen die Liebe, um später tragisch eines besseren belehrt zu werden.

220 Seiten, 11.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon