Nacht

[234] Nacht nennen wir im Allgemeinen die Zeit wo sich während der täglichen, in der Richtung von Abend nach Morgen stattfindenden Umwälzung der Erde um ihre Axe ein bestimmter Punkt der Erde auf der von der Sonne abgewendeten Hälfte derselben befindet und daher von ihm aus die vom Erdkörper verdeckte Sonne nicht gesehen werden kann. Astronomisch genau wird der Anfang der Nacht für einen angenommenen Punkt auf den Augenblick bestimmt, wo der Mittelpunkt der Sonnenscheibe unter den Horizont oder Gesichtskreis desselben herabsinkt, während das Gegentheil die Grenze der Nacht bezeichnet, deren Dauer wegen des veränderlichen Standes der Erde gegen die Sonne, je nach den Jahreszeiten und der Lage der Erdgegenden verschieden sein muß. Die längsten Nächte von einem halben Jahre wechseln am Nordpol um die Zeit der Frühlingsnachtgleiche (21. März), am Südpol um die Herbstnachtgleiche (23. Sept.) mit ebenso langen Tagen, unter den Polarkreisen aber gibt es jährlich einmal eine Nacht ohne Tag und einen Tag ohne Nacht, und zweimal jährlich sind auf der ganzen Erde, wie in der Nähe des Äquators, fortwährend, Tag und Nacht gleich lang. (S. Äquinoctium.) – Im Alterthume galt die Göttin der Nacht, lat. Nox genannt, für eine Tochter des Chaos, sowie alles Unbekannte und Dunkle, z.B. Schlaf, Tod, Träume, Schicksal, für ihre Nachkommenschaft, und man gab ihr zwei schlafende Kinder, ein schwarzes in den einen, ein weißes in den andern Arm. Jetzt wird sie in dunkeln besternten Gewändern, verschleiert und mit einer zur Erde gekehrten Fackel, auch in einem von schwarzen Rossen oder von Eulen gezogenen Wagen abgebildet. – In der christlichen Kirche werden die Nächte vor Weihnachten, vor Ostern und Pfingsten heilige Nächte genannt und die Christen der ersten Jahrhunderte begingen sie mit gemeinsamen Andachtsübungen, was in katholischen Ländern in der Christnacht auch noch geschieht; die lange Nacht der Juden aber ist ihr Versöhnungsfest (s.d.). – Unter Nachtfernrohr wird überhaupt ein astronomisches Fernrohr (s.d.), insbesondere aber ein solches verstanden, das ein großes Sehfeld darbietet, jedoch wenig vergrößert. – Nachtstücke heißen Gemälde und Zeichnungen, bei denen die Beleuchtung vom Monde oder überhaupt von einem künstlichen Lichte ausgeht; eines der berühmtesten Gemälde der Art ist die sogenannte »Nacht« von Antonio da Correggio (s.d.). Auf dem Gebiete der Dichtkunst werden düstere, Schrecknisse und Schauerliches mit Vorliebe behandelnde Dichtungen und namentlich Erzählungen als »Nachtstücke« bezeichnet, wie deren z.B. von E. T. A. Hofmann auch unter diesem Titel erschienen sind.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 234.
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