Erde

[682] Erde (die), auf welcher wir leben, ist von der Sonne an gerechnet der dritte Planet und der erste, welchen ein Nebenplanet, der Mond (s.d.), umkreist. Ihr Zeichen ist R, ihre Gestalt dachte man sich in den ältesten Zeiten als eine vom Meere umgebene Scheibe, und erst seit 400 v. Chr. ward von den Gelehrten allgemeiner angenommen, daß sie einer Kugel gleiche, wofür es auch genügende Beweise gibt. Wäre nämlich die Erde eine wagerechte Ebene, so müßte z.B. die Sonne für alle Orte auf derselben, die kleinen Unebenheiten von Berg und Thal abgerechnet, fast gleichzeitig auf- und untergehen; dies geschieht aber bekanntlich an den von uns gegen O. gelegenen Ländern stets früher als in den gegen W. Ferner erblickt man auf der weitesten Ebene, auf dem Meere, von sehr entfernten Gegenständen nur den obern Theil und erst, wenn sie sich uns nähern, wird nach und nach das Übrige sichtbar. Ebenso verliert man von einem sich entfernenden Schiffe anfänglich den untern Theil, der [682] zuerst hinter der Rundung der Erde verschwindet und zuletzt die Spitze der Masten aus den Augen, während man in beiden Fällen, wenn das Meer eine wagerechte Ebene wäre, jeden Gegenstand vollständig so weit erkennen müßte, als unser Auge trägt. Die Seefahrer fanden ferner, wenn sie im Weltmeer beständig gegen W. schifften, daß sie von O. her wieder zu dem Punkte zurückkamen, von dem sie abgereist waren, und bei jeder Mondfinsterniß, die entsteht, wenn die Erde so zwischen Sonne und Mond tritt, daß sie den letztern beschattet, beweist die stets runde Gestalt dieses Schattens, daß er nur von einem kugelförmigen Körper herrühren könne. Die Erde ist jedoch keine vollkommene Kugel, sondern an zwei einander entgegengesetzten Stellen, und zwar am Nord- und Südpol, den beiden Enden der Erdaxe, etwas abgeplattet. Unter der letztern wird nämlich der Durchmesser der Erde verstanden, um den sie sich alle 24 Stunden einmal herumbewegt. Erst seit etwa 100 Jahren ist diese abgeplattete Form durch sorgfältige Beobachtungen über die verschiedene Geschwindigkeit des Falls der Körper (s.d.) und durch sehr genaue Messungen gänzlich festgestellt worden, indem man von den 360 Graden, in welche jeder um die Erde gezogene Meridian oder Mittagskreis (s.d.) gleich dem Äquator und jedem Kreise abgetheilt ist, einzelne Grade in der Nähe des Äquators (s.d.) und in der Nähe der Pole vermaß. Sollte nun dadurch die Abplattung der Erdkugel bewiesen werden, so mußte sich ein solcher Grad in der Nähe der Pole länger herausstellen, als in der Nähe des Äquators, weil der am Pole flachere Bogen des Mittagskreises gleichsam einem größern Cirkel angehört als der schärfer gekrümmte desselben Meridians am Äquator, und folglich auch größere Grade haben mußte. Der Erfolg bestätigte diese Voraussetzung und man fand, daß die Erdaxe ungefähr 1713 deutsche M., dagegen der Durchmesser des Äquators 1719 M. lang sei. Der Umfang der Erde am Äquator wird zu 5400 M. angenommen; multiplicirt man nun den Durchmesser mit dem größten Umfange einer Kugel, so erhält man die Größe ihrer Oberfläche, welche demnach von der Erde 9,282,600 ! M. beträgt. Wird diese Zahl wieder mit 1/6 des Durchmessers multiplicirt, so erhält man den cubischen Inhalt der Kugel, welcher bei der Erde ungefähr 2659,311,575 Cubikmeilen beträgt.

Die vorhin erwähnte Umdrehung der Erde um ihre Axe binnen 24 Stunden findet mit einer stets gleichen Geschwindigkeit in der Richtung von Abend gegen Morgen statt und indem dabei täglich einmal alle Gegenden der Erdoberfläche der Sonne zugewendet werden, haben sie Tag und die gleichzeitig von der Sonne abgewendeten Nacht. Neben dieser täglichen Bewegung der Erde findet noch eine jährliche derselben um die Sonne in 365 Tagen, 5 Stunden, 48′, 48″ statt, welche Zeit wir ein Jahr (s.d.) nennen. Die Erde beschreibt dabei eine Bahn von ungefähr 130 Mill. M. in Gestalt einer Ellipse (s.d.), in deren einem Brennpunkte die Sonne sich befindet, und legt durchschnittlich in jedem Tage gegen 365,000 M., in einer Stunde 14,800, in einer Minute 240 M. zurück. Aus der elliptischen Form der Erdbahn ergibt sich, daß die Erde nicht zu allen Zeiten des Jahres der Sonne gleich nahe ist; der geringste Abstand beträgt 19,786,020 M. und der größte 20,460,980 M. und sie bewegt sich schneller, wenn sie der Sonne näher, als wenn sie entfernter von ihr ist. Wenn man sich die Ellipse, welche die Erde um die Sonne beschreibt, als den Rand einer Scheibe denkt, so gibt das eine Erklärung des Ausdrucks: die Ebene der Erdbahn, d.h. der eingebildeten Fläche, welche von der Erdbahn umschlossen wird.

Die Erde ist der Sonne im Winter am nächsten und im Sommer am weitesten von ihr entfernt, was aber ohne Einfluß auf die Jahreszeiten ist, da diese nicht von der Entfernung, sondern von der mehr oder weniger schiefen Richtung bedingt werden, in welcher die Sonnenstrahlen auf die Erde fallen. Diese hat nämlich eine gegen die Erdbahn geneigte Stellung, sodaß ihre Achse mit derselben einen spitzen Winkel von 661/2° bildet und eine durch den Mittelpunkt der Erde senkrecht auf die Erdbahn gezogene Linie sich auf jeder Seite des Äquators um 231/2° von ihm entfernt. Da nun die Erde beständig in dieser geneigten Stellung beharrt, so folgt daraus, daß während ihres jährlichen Umlaufs die Sonnenstrahlen nur zweimal senkrecht auf den Äquator fallen und dann sind Tag und Nacht aller Orten gleich. (S. Äquinoctium.) Dies findet jährlich zuerst im März statt; von da an kehrt sich allmälig die ganze nördl. Erdhälfte der Sonne zu, bis diese am 21. Juni, dem längsten Tage, die um 231/2° nördl. vom Äquator gelegene Gegend senkrecht bescheint. Da nun die Sonne stets die Hälfte der Erdkugel und diese also vom Nord- zum Südpol beleuchtet, wenn sie senkrecht über dem Äquator steht, so muß sie jetzt um 231/2° über den Nordpol hinüber scheinen, am Südpol aber vermag sie eine gleiche Strecke nicht mehr zu erhellen, und dort ist demnach fortwährende Nacht; weil aber die Gegenden innerhalb der 231/2° um den Nordpol die tägliche Umwälzung bei stetem Sonnenschein beschreiben, so haben die Nordpolarländer dann fortwährend Tag. Vom Jun. an kommt die Erde allmälig wieder in eine solche Stellung zur Sonne, daß diese am 23. Sept. den Äquator ebenso senkrecht bescheint, wie im März; vom Sept. an wird aber der Südpol allmälig der Sonne zugekehrt, bis am 21. Dec. diese senkrecht über den Ländern 231/2° südl. vom Äquator steht und nun das Gegentheil der Erderleuchtung am 21. Jun. eintritt, indem die Südpolarländer fortwährend Tag, die Nordpolarländer beständig Nacht haben. Werden die nördl. und südl. vom Äquator gelegenen, von der Sonne im Jun. und Dec. senkrecht beschienenen Punkte mittels eines den Äquator schief durchschneidenden Kreises verbunden, so bildet derselbe die Ekliptik oder die scheinbare Sonnenbahn. (S. Sonne.) Von den äußersten Punkten derselben denkt man sich dem Äquator parallel zwei andere Kreise, welche die Wendekreise heißen, weil, wenn im Jun. und Dec. diese Kreise der Sonne senkrecht zugekehrt gewesen sind, letztere scheinbar zum Äquator sich zurückwendet. Der nördl. Wendekreis heißt der des Krebses, der südl. der des Steinbocks und die dazwischen liegenden Länder werden nach dem Griechischen Tropenländer, die dort wachsenden Pflanzen tropische Pflanzen u.s.w. genannt. Der ganze Theil zwischen den Wendekreisen der Erdkugel aber bildet die heiße Zone oder den heißen Erdgürtel und umfaßt 3,700,000 ! M., beinahe 2/5 der Erdoberfläche. Ebenfalls von den beiden Polen 231/2° entfernt und parallel mit dem Äquator werden zwei andere Kreise, die Polar- [683] kreise, gedacht, und durch sie und die Wendekreise wird die ganze Erdfläche in andere vier, also zusammen in fünf Zonen getheilt, von denen die nördl. und die südl. gemäßigte Zone, jede 2,400,000 ! M. zwischen den Wendekreisen und Polarkreisen, innerhalb der letztern aber die nördl. und südl. kalte Zone liegen, von denen jede 304,000 ! M. einnimmt. In der heißen Zone ist die Hitze groß, wo sie nicht durch hohe Lage der Länder, wie in Abyssinien und auf den Hochebenen von Quito gemildert wird, und Winter, wie bei uns, sind unbekannt. Überhaupt kennt man dort nur zwei Jahreszeiten: nämlich eine trockene und eine nasse oder Regenzeit, welche nördl. vom Äquator in unsern Sommer, südl. davon in unsern Winter fällt. In den gemäßigten Erdgürteln sprechen sich dagegen unsere vier Jahreszeiten immer deutlicher aus, indem man sich von den Wendekreisen entfernt, verschwinden aber im höhern Norden wieder, und jenseit der Polarkreise gibt es abermals nur zwei Jahreszeiten: nämlich einen langen und sehr strengen, aber heitern und gesunden Winter und einen plötzlich eintretenden sehr kurzen, oft lästig heißen Sommer.

Von der Gesammtoberfläche der Erde nimmt 2/3 das Weltmeer und kaum 1/3 das Festland ein, dessen beiweitem größere Masse nördl. vom Äquator liegt. Das Meer wird in fünf Haupttheile, in das nördl. und südl. Eismeer, welche durch das atlant. Meer und den großen Ocean verbunden werden, und das indische Meer geschieden, welches zwischen den letztgenannten liegt. Das Festland, welches im Allgemeinen aus Bergen (s.d.) und Thälern, aus hoch- und tiefer liegenden Ebenen besteht, theilt man in die sogenannte alte Welt, oder die den Alten mehr oder minder bekannt gewesenen drei zusammenhängenden Erdtheile Asien, Europa und Afrika; in die neue Welt oder das 1492 entdeckte Amerika und Australien, und die menschliche Gesammtbevölkerung dieser Erdtheile wird gegen 1000 Mill. geschätzt. Was Erde und Meer mit und ohne Zuthun des Menschen hervorbringen, nennt man Naturerzeugnisse und sondert es in das Mineral-, Pflanzen- und Thierreich, von welchem letztern schon gegen 80,000 verschiedene Arten bekannt sind. Vom Innern der Erde wissen wir nichts Wesentliches, da man im Verhältniß zu ihrer Dicke nur bis zu einer unbedeutenden Tiefe in dieselbe einzudringen vermochte und über die Entstehung und allmälige Gestaltung derselben hat es an vielerlei Ansichten nie gefehlt. Beim Eindringen unter die Oberfläche der Erde hat man jedoch beobachtet, daß der Wärmegrad oder die Temperatur derselben immer zunimmt, je tiefer man kommt, und zwar scheint in einer Tiefe von 70 F. dieselbe keiner, vom Wechsel der Jahreszeiten abhängigen, Veränderung mehr unterworfen und es scheint daher eine eigenthümliche Erdwärme vorhanden zu sein, mag dieselbe auch von anhaltenden chemischen Vorgängen oder andern Verhältnissen im Innern der Erdkugel herrühren. Vergl. Hoff's »Geschichte der durch Überlieferung nachgewiesenen natürlichen Veränderungen der Erdoberfläche« (2 Bde., Gotha 1822); Klöden, »Über die Gestalt und Urgeschichte der Erde nebst davon abhängigen Erscheinungen in astronomischer, geographischer und physikalischer Hinsicht« (2. Aufl., Berl. 1829).

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 682-684.
Lizenz:
Faksimiles:
682 | 683 | 684
Kategorien:

Buchempfehlung

Jean Paul

Selberlebensbeschreibung

Selberlebensbeschreibung

Schon der Titel, der auch damals kein geläufiges Synonym für »Autobiografie« war, zeigt den skurril humorvollen Stil des Autors Jean Paul, der in den letzten Jahren vor seiner Erblindung seine Jugenderinnerungen aufgeschrieben und in drei »Vorlesungen« angeordnet hat. »Ich bin ein Ich« stellt er dabei selbstbewußt fest.

56 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon