Welt

[692] Welt (die) wird im gewöhnlichen engern Sinne die Erde mit Allem, was auf und in ihr lebt und ist, genannt und man gibt deshalb den Erdtheilen auch den Namen von Welttheilen, spricht von einer alten Welt, worunter man die unter sich zusammenhängenden Erdtheile Europa, Asien und Afrika versteht, und von einer neuen Welt, womit das später aufgefundene Amerika gemeint ist. Kugelförmige Darstellungen der Erde (Globen) werden auch Weltkugeln geheißen, und ebene Darstellungen der ganzen Erdoberfläche (Planigloben) Weltkarten; die ungeheure, das Festland auf allen Seiten umgebende Wassermasse heißt das Weltmeer, man nennt Reisende, welche die Erde umschifft haben, Weltumsegler und spricht in Beziehung zur Erde allein von einer Weltgeschichte und Weltherrschaft, nennt auch etwas weltbekannt oder weltkundig und den Menschen in seiner Beziehung zur Erde einen Weltbürger. Selbst die Gesellschaft wird zuweilen Welt (bestimmter Menschenwelt) genannt und man unterscheidet die seine oder große Welt, d.h. die vornehmern geselligen Kreise, wo abgeschliffenes Benehmen und größerer Luxus herrschen. Ein Mann von Welt ist daher Derjenige, welcher sich jenes abgeschliffene Betragen, den Weltton, zu eigen gemacht hat, was auch der Ausdruck besagt: es habe Jemand viel Welt. Etwas Anderes versteht man aber meist unter einem Weltmanne oder Weltmenschen, wie Derjenige genannt wird, dessen Gesinnung blos dem zeitlichen und eitlen Irdischen zugewandt ist. Wird aber einem viel Weltkenntniß zugeschrieben, so heißt das ebenso viel wie Menschenkenntniß. Weiter gefaßt wird der Begriff der Welt, wenn man darunter die Gesammtheit aller in Raum und Zeit befindlichen, aller endlichen und sinnlichen Dinge versteht, daher auch dafür die Bezeichnung Sinnenwelt gegenüber einer übersinnlichen Welt gebraucht wird, deren höhere Ordnung wir blos zu denken aber nicht anzuschauen vermögen. Unter Weltall, Weltgebäude, Universum, Weltganzes, begreift man endlich alle Weltkörper, d.h. Fixsterne, Planeten, Monde und Kometen in ihrer Verbindung zu einem geordneten Ganzen, dessen Unermeßlichkeit unsere beschränkten Blicke freilich nicht zu durchdringen vermögen. Aber wir sind im Stande gewesen, auf unserer Erde und selbst an Weltkörpern außerhalb derselben von harmonischer Wechselwirkung, Ordnung, Zweckmäßigkeit und Nothwendigkeit so unermeßlich Wunderbares und Weises zu beobachten, daß wir auf diesen Grund hin nicht weniger vom Ganzen schließen dürfen. Auch dieses durchdringt ein Geist der Ordnung und Einheit, wenngleich für uns ebenso unerfaßlich, wie die Größe des Weltalls selbst. Denn beträgt z.B. schon die Entfernung der Sonne von der Erde gegen 21 Mill. Meilen, so fehlt uns dagegen noch jeder genaue Maßstab für die ungeheuern Entfernungen der Fixsterne, deren nächster über zwei Billionen Meilen von uns entfernt sein muß, ein Raum, welchen das in einer Secunde 40,000 M. zurücklegende Licht doch erst in beinahe drei Jahren, eine Kanonenkugel mit der Schnelligkeit von 1000 F. in der Secunde, erst in 2,896,000 Jahren zurücklegen würde. Das ist aber nur einer der nächsten jener Sterne, welche sich durch ihren blendenden Lichtglanz vor allen andern auszeichnen, und seine Entfernung von uns, eine Sternweite genannt, ist wieder ein ungefährer Maßstab für die noch unermeßlich fernern geworden. Denn die berühmtesten Sternkundigen haben die Entfernung derjenigen Nebelflecke, welche die besten Fernröhre noch in Sterne auflösen, an 500, die der unauflösbaren Lichtnebel auf 8000 mindestens solcher Sternweiten geschätzt, einen Raum, welchen das Licht erst in 24,000 Jahren zu durchdringen vermag. Ausführlichere Belehrung in diesem Gebiete ertheilt unter Anderm Littrow, »Die Wunder des Himmels oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems« (3 Bde., Stuttg. 1836). – Unter Weltachse wird die Linie verstanden, welche man sich zwischen dem astronomischen Nord- und Südpol denkt und die durch das ganze Weltgebäude geht. – Weltalter und Zeitalter sind bestimmte Zeitabschnitte, innerhalb welcher mit der Welt (zunächst der Erde und der Menschheit) große Veränderungen vorgingen. Indem die Alten das Leben der ganzen ihnen bekannten Menschheit mit dem des Einzelnen verglichen, stellten sie für jenes davon hergenommene Perioden, anfangs vielleicht nur im bildlichen Sinne auf, verknüpften sie mit mythologischen Vorstellungen und führten sie später wissenschaftlich aus. Der griech. Dichter Hesiod nimmt z.B. fünf Weltalter an; ein goldenes oder Saturnisches unter der Regierung des Saturn (s.d.); ein silbernes üppiges und gottloses; das eherne, kriegerisch und gewaltthätig; das heroische, was sich zum Bessern zu wenden strebte; das eiserne, wo Gerechtigkeit und Treue von der Erde verschwand und in welchem der Dichter selbst zu leben glaubte. Man brachte diese Vorstellungen auch mit der Astronomie in Einklang und nahm die Weltalter für Theile des großen Weltjahres, welches vollendet werden sollte, wenn Gestirne und Planeten dereinst wieder ihren ersten Standpunkt am Himmel inne haben würden. Dieses Weltjahr sollte nach Einigen 3000 Sonnenjahre umfangen. Sie gingen ferner in die Religionsmeinungen fast aller Völker über und ältere christliche Theologen bestimmten die Dauer eines Weltjahres auf 1000 gemeine Jahre; von Erschaffung der Welt bis zu ihrem Untergange aber sollten sechs Weltjahre vergehen, entsprechend den sechs Tagen, innerhalb deren nach der Mosaischen Schöpfungsgeschichte die Erde geschaffen wurde. Die neuere Philosophie hat ebenfalls diesen mythischen Begriff bearbeitet und Manche haben sechs Weltalter angenommen, nämlich: 1) wo es zwar Menschen aber noch keine Familien, 2) Familien aber keine Völker, 3) Völker aber keine Staaten, 4) Staaten aber keine Kirchen, 5) Staaten und Kirchen aber keinen Idealstaat und keine Idealkirche gab, 6) wo Beides in ungetrennter Einheit bestehen wird, und wir lebten sonach im fünften. Andere lassen nur fünf gelten und Hegel nur drei, nach welchen wir uns im dritten befänden.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 692-693.
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