Abyssinien

[15] Abyssinien oder Habesch, ein afrikan. Hochland, welches von der westl. Küste des Meerbusens von Aden, der das rothe Meer mit dem indischen Ocean verbindet, aufsteigt, sich nach W. und S. in unbekannter Ausdehnung erstreckt, und im N. an Nubien grenzt, soll 8–10,000 ! M. groß sein. Der Hauptstrom des Landes ist der Nil, welcher unter dem 11° N. B. bei dem Orte Gisch im Gebirge seine östl. Quelle hat und hier »blauer Fluß« genannt wird. Der unfruchtbare Küstenstrich, größtentheils von muhammedan. Hirtenstämmen bewohnt, wird von dem fruchtbaren Berglande durch eine Salzfläche getrennt, welche vier Tagreisen lang und eine breit ist, und wo das reinste Steinsalz in Tafeln die Oberfläche deckt. Die Gebirgsgegenden sind mit Waldungen von Cedern, Buchen, Fichten, Aloe und Myrrhen bewachsen; in ihnen hausen Hyänen, Löwen, Elefanten, Nashörner, Bären, Schakals, Büffel, Affen, Zebras, Giraffen und Zibethkatzen. Auch Krokodile, Riesenschlangen und Flußpferde finden sich hier, sowie Kameele, und gezähmt die meisten europ. Hausthiere. Überhaupt ist A. von der Natur sehr reich ausgestattet; es gedeihen daselbst die tropischen und die meisten europ. Producte, Südfrüchte, Zuckerrohr, Sennesblätter, Baumwolle, Flachs und Taback; Hirse, Durra genannt, wird als allgemeines Nahrungsmittel gebaut. In A. werden zwei ganz verschiedene Sprachen gesprochen. Die Bewohner, ein afrikan., von den Negern verschiedenes Stammvolk von bräunlicher Farbe, bekennen sich zur koptisch-christlichen Religion, [15] sind aber im höchsten Grad unwissend und abergläubisch; so glauben noch Viele an eine Verwandlung böser Menschen nach dem Tode in Thiere. A. war sonst ein mächtiges selbständiges Reich; gegenwärtig regiert der Fürst zu Gondar nur noch dem Namen nach; alle Gewalt ist in den Händen der Statthalter, die aus ihren Provinzen beinahe unabhängige Staaten gemacht haben. Die vornehmsten Provinzen sind: Tigreh, mit der Hauptstadt Antalow und dem Handelsplatz Adowa, und Amhara mit Gondar, der Hauptstadt des ganzen Landes; im Innern Narea und Kassa, Schoa und Efat, letztere von Gallasnegern bewohnt, die das übrige Land fortwährend mit räuberischen Einfällen bedrohen, und Hurrur, meist durch Araber bevölkert. Auch viele Juden haben sich als Ackerbauer und Handwerker angesiedelt. Die Hauptbeschäftigung der Bewohner ist Viehzucht und Ackerbau; nicht unbedeutend ist der Handel mit Landeserzeugnissen, und auf die Sclavenmärkte Arabiens und Ägyptens werden viele abyssinische Negerinnen gebracht. Die Stelle des Geldes vertritt das Salz und zu Adowa verfertigte baumwollene Zeuge, von denen 16 Ellen den Werth von 30 Stück Tafelsalz haben, was nach unserm Gelde ungefähr einen Thaler beträgt. Die Häuser bestehen meistens nur aus Lehmwänden, und sind mit einem kegelförmigen Rohrdache bedeckt. Die abyssin. Mädchen werden sehr jung verheirathet; um ihnen hierzu Gelegenheit zu verschaffen, setzt man sie schön geputzt, die Augenbraunen geschwärzt und die Hände dunkelroth gefärbt, vor die Thüre. Gewöhnlich mit Spinnen beschäftigt, grüßen sie hier alle vorübergehende junge Männer mit bescheidenem Lächeln. Findet nun ein solcher an einem Mädchen Gefallen, so geht er zu ihrer Mutter, hält um sie an und nach erfolgter Einigung wegen des Preises, den er für das Mädchen zu entrichten hat, wird die Hochzeit feierlich begangen.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 15-16.
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