Fichte

Fichte

[35] Fichte (Joh. Gottlieb), einer der größten Philosophen, die es gegeben, war geb. den 19. Mai 1762 zu Rammenau in der Lausitz und starb 1814 zu Berlin.

Nachdem seine Erziehung in Schulpforte vollendet war, studirte er in Jena, Leipzig und Wittenberg, begab sich darauf als Hauslehrer nach Zürich, wo er Pestalozzi, und dann nach Königsberg, wo er Kant kennen lernte. Hier gab er 1792 eine Schrift: »Versuch einer Kritik aller Offenbarungen« heraus, welche mit solchem Beifall aufgenommen wurde, daß ihn schon im darauffolgenden Jahre die Universität Jena zum außerordentlichen Professor der Philosophie berief. Misverständnisse mit der weimar. Regierung, welche durch F.'s Mistrauen herbeigeführt wurden, man wolle ihm in der freien Äußerung seiner wissenschaftlichen Überzeugung hinderlich sein, bewirkten 1799 seine Entlassung. Er begab sich nun nach Berlin, wo man ihn mit Auszeichnung empfing. 1805 wurde er zum Professor der Philosophie [35] bei der damals preuß. Universität Erlangen ernannt. Als jedoch der Krieg mit Frankreich ausbrach, begab sich F. nach Königsberg und hielt dort 1806 und 1807 Vorlesungen, kehrte aber im folgenden Jahre nach Berlin zurück und hielt hier seine begeisterten »Reden an die deutsche Nation«, in denen er sein in Knechtschaft versunkenes Vaterland zur Ermannung mit glühenden Worten aufregte und zwar, während die Franzosen Berlin besetzt hielten. Als 1810 die Universität zu Berlin errichtet wurde, ward F. zum Professor der Philosophie an derselben ernannt, und je großartiger sein Wirken hier sein mußte, um so mehr war es zu bedauern, daß der Mann, welcher bei dem gebildetsten Theile seiner Zeit- und Landesgenossen so viel zur sittlichen Erkräftigung beigetragen hatte, welche eine politische zur Folge haben mußte, nur die ersten Äußerungen des in Deutschland neu erwachenden Lebens sah. Er erkrankte nach seiner Gattin, die sich der Pflege der Verwundeten und Kranken in den Hospitälern zu Berlin unterzogen und dort angesteckt worden war, am Hospitalfieber, und wurde ein Raub dieser pestartigen Krankheit. In seinen zahlreichen philosophischen Werken zeigt sich F. als ein Schüler Kant's (s.d.), der aber das große Werk seines Vorgängers mit Selbständigkeit weiter führt. Wie der seinen die Kant'sche, so liegt seine eigne Philosophie der neuesten zu Grunde, die durch Schelling und Hegel (s.d.) gelehrt worden ist. Seine in zahlreichen Schriften niedergelegte Philosophie bildet so einen der wichtigsten Übergänge, den würdig zu repräsentiren, die ganze sittliche Kraft eines F. erfoderlich war, und wegen dieser sittlichen Größe wird F. stets ein Gegenstand der Bewunderung und Nachahmung sein.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 35-36.
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