Wittenberg

[744] Wittenberg, Kreisstadt und Festung am rechten Ufer der Elbe im Regierungsbezirk Merseburg der preuß. Provinz Sachsen, hat gegen 8000 Einw. und war bis zur Theilung Sachsens im J. 1815 die Hauptstadt des nach ihr benannten oder ehemaligen sächs. Kurkreises. Seit 1817 sind zwei neue Vorstädte, Friedrichsstadt am rechten, Neuwittenberg am linken Ufer der Elbe angebaut worden, über welche eine 1000 F. lange hölzerne Brücke führt, die am linken Ufer von einem Brückenkopfe vertheidigt wird. W. entstand wahrscheinlich im 12. Jahrh., und schon 1455 führte dort eine hölzerne Brücke über die Elbe; seit dem 13. bis ins 15. Jahrh. war es meist die Residenz der askanischen Linie der Herzoge und Kurfürsten von Sachsen, und Kurfürst Friedrich der Weise ließ 1490–99 die dortige Schloßkirche neu herstellen, welche früher eine Kapelle zur Verwahrung eines blutigen Dornes von Christi Kreuzigung her war, welchen Philipp der Schöne von Frankreich der Gemahlin Rudolf I. geschenkt hatte. Das Schloß ward ebenfalls von ihm neu erbaut und 1505 nach dem Vorbilde von Tübingen die Universität gestiftet und durch den Papst Alexander VI. und Kaiser Maximilian I. bestätigt, welche durch die von hier aus durch Luther in Gang gebrachte Reformation weltgeschichtlich berühmt worden ist. Die Schloß- und Universitätskirche, an welche er am 31. Oct. 1517 seine berühmten 95 Sätze (Theses) anschlug und in der Luther, Melanchthon, Friedrich der Weise und Johann der Beständige begraben liegen, wurde zwar im siebenjährigen Kriege bei der Belagerung W.'s von den Kaiserlichen und der Reichsarmee (1760) mit dem besten Theil der Stadt eingeäschert, jedoch später hergestellt und auch nach den 1813 erlittenen Beschädigungen 1817 auf königl. Kosten wieder erneut. Johann Friedrich der Großmüthige hatte W. in einen festen Platz verwandeln lassen, der aber nach der Schlacht bei Mühlberg, da der Kurfürst kaiserl. Gefangener war, Karl V. die Thore öffnen mußte. Seit dem siebenjährigen Kriege hörte aber W. auf, eine Festung zu sein, ohne daß jedoch die vorhandenen Werke abgetragen wurden, daher es 1812 und 1813 von den Franzosen wieder in einen festen Platz verwandelt worden war und schon im Apr. von den Preußen blockirt wurde. Nach dem Waffenstillstande und der Schlacht bei Dennewitz abermals eingeschlossen, jedoch erst von Ende Dec. an regelmäßig belagert, ward es am 13. Jan. 1814 unter Anführung des Generals Dobschütz erstürmt und die aufs Rathhaus und das Schloß beschränkte Besatzung ergab sich am 14. ohne Bedingung. Unter der preuß. Regierung wurde 1815 die Universität, welche außer acht Dorfschaften und anderm Grundbesitz ein Capitalvermögen von 354,694 Thaler besaß, mit der zu Halle (s.d.) vereinigt und dafür im ehemaligen Augustinerkloster, welches Luther bewohnte und wo seine Stube noch im damaligen Zustande erhalten ist, ein Predigerseminar gegründet. In der Stadtkirche liegt Joh. Bugenhagen (s.d.) begraben, auch enthält sie mehre merkwürdige Gemälde; die Lutherseiche vor dem Elsterthore bezeichnet den Platz, wo Luther die päpstliche Bulle und das kanonische Recht verbrannte, und 1/2 St. von der Stadt liegt der Luthersbrunnen. Auf dem Marktplatze wurde dem [744] großen Reformator am 31. Oct. 1821 theils aus seit 1806 gesammelten Beiträgen, theils auf königl. Kosten eine nach Schadow's Modell in Berlin gegossene eherne 75 Ctr. schwere Bildsäule auf einem 1200 Ctr. schweren Granitblock und von einem in Eisen gegossenen, gothischen Baldachin bedeckt, errichtet, zu welcher der König Friedrich Wilhelm III. am dreihundertjährigen Reformationsjubelfeste 1817 den Grundstein legte.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 744-745.
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