Tauentzien von Wittenberg

[293] Tauentzien von Wittenberg, eine evangelische, von einem nach Lauenburg gekommenen Zweige des böhmischen Geschlechts v. Schmichow abstammende Familie, welche nach dem im Herzogthum Lauenburg gelegenen Gute Tauentzien den Namen annahm, 1791 in den Grafenstand erhoben wurde u. 1814 das Prädicat von Wittenberg erhielt. Der Stammvater des Geschlechts war: 1) Lucas der Ältere, welcher 1601 vom Herzog Barnim von Pommern mit dem Stammgute T. belehnt wurde. Berühmt aus ihm sind: 2) Bogislaus Friedrich, geb. 18. April 1710 in Tauentzien, kam 1725 in das Cadettencorps nach Berlin u. wurde 1728 Fahnenjunker bei dem Potsdamer Leibregiment u. 1740 Lieutenant bei der neuerrichteten Leibgarde. Er zeichnete sich in der Schlacht von Molwitz aus, wurde 1744 Stabscapitán u. Chef eines Grenadierbataillons, mit welchem er 1745 der Schlacht bei Hohenfriedberg beiwohnte; 1756 Oberst u. Commandeur des 1. Bataillons Leibgarde, als welcher er sich bei Kollin auszeichnete; 1758 Generalmajor u. Commandant von Breslau, welche Festung er 1760 gegen die Österreicher unter Laudon heldenmüthig vertheidigte; 1761 Generallieutenant u. eroberte 1762 Schweidnitz. 1763 erhielt er ein Infanterieregiment, wurde Gouverneur von Breslau u. Generalinspecteur der schlesischen Infanterie, 1775 General der Infanterie u. starb 20. März 1791 in Breslau. Daselbst ist ihm vor dem Schweidnitzer Thore auf dem nach ihm benannten Platze ein Denkmal errichtet. Er war mit Charlotte geb. v. dem Knesebeck vermählt. 3) Graf Friedrich Bogislaus Emanuel, Sohn des Vor., geb. 15. Septbr. 1760 in Potsdam; erhielt seine erste Bildung in der Berliner Militärakademie u. trat schon 1775 in die Armee ein. Im Baierischen Erbfolgekriege 1778 war er Adjutant des Prinzen Heinrich, welchen er später auch auf seinen Reisen begleitete, wurde 1790 Major, machte mit Friedrich Wilhelm II. den Feldzug von 1793 mit, wurde 1793. Flügeladjutant des Königs u. dessen militärischer Bevollmächtigter bei der österreichischen Armee. 1795 wurde er Oberst u. 1801 Generalmajor, befehligte 1806 ein kleines preußisches Corps, welches von dem Fürsten Hohenlohe bis Saalburg vorgeschoben war u. welches am 9. Oct. bei Schleiz geschlagen u. zum Rückzuge gezwungen wurde. Bei Jena bildete seine Division die Avantgarde Hohenlohes u. bei Prenzlan wurde er mit gefangen; nach dem Frieden von Tilsit zum Generallieutenant befördert, erhielt er die brandenburgische Brigade; 1813 befehligte er erst die Blockadetruppen vor Stettin u. nach dem Waffenstillstande das 4. preußische Armeecorps (Reserve der Nordarmee) u. nahm mit demselben an den Siegen von Großbeeren u. Dennewitz wesentlichen Antheil. Nach der Schlacht bei Leipzig, während er Berlin deckte, erhielt er den Auftrag die Festungen in Preußen u. Sachsen, welche noch in den Händen der Franzosen waren, zu belagern u. zwang Torgau zur Übergabe, ließ 13. Jan. 1814 Wittenberg mit Sturm nehmen (s.u. Russisch-deutscher Krieg S. 590) u. leitete dann speciell die Blockade von Magdeburg (s. ebd. S. 599). Er wurde 1814 unter dem Namen T. von Wittenberg in den Grafenstand erhoben. 1815 führte er das 6 preußische Corps als Reserve nach Frankreich. Nach dem zweiten Pariser Frieden war er eine Zeit lang Gesandter in Paris u. wurde dann commandirender General des 3. Armeecorps u. Gouverneur von Berlin, als welcher er 20. Febr. 1824 starb; er war in zweiter Ehe mit einer geb. v. Arnstedt vermählt. 4) Graf Bogislaus, Sohn des Vor., geb. 10. Juli 1789 in Berlin, war preußischer Generalmajor der Cavallerie u. st. 6. Nov. 1854 in Trier; mit ihm ist das Geschlecht im Mannsstamm erloschen.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 17. Altenburg 1863, S. 293.
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