Wittenberg

[701] Wittenberg, 1) Kreisstadt im preuß. Regbez. Merseburg, an der Elbe, Knotenpunkt der Staatsbahnlinien Vertin-Weißenfels und Falkenberg-Roßlau, 72 m ü. M., bis 1873 Festung, hat 3 Vorstädte, 2 evang. Kirchen (die Stadtkirche mit dem berühmten Lukas Cranachschen Gemälde: Abendmahl, Taufe und Beichte, und die 1490–99 von Friedrich dem Weisen erbaute, 1892 renovierte Schloß- oder Universitätskirche, an der Luther 31. Okt. 1517 seine 95 Sätze anschlug, die seit 1858 auf Metalltüren in Bronze eingegraben sind, mit zwei Bronzewerken Peter Vischers, den Grabstätten Luthers, Melanchthons, Friedrichs des Weisen und Johanns des Beständigen) und eine kath. Kirche.

Wappen von Wittenberg.
Wappen von Wittenberg.

Von andern Gebäuden sind bemerkenswert: das Rathaus; das frühere Augustinerkloster mit der Zelle Luthers; das sogen. Lutherhaus mit der 1883 ein geweihten Lutherhalle (mit einer Sammlung wertvoller Erinnerungszeichen an Luther und andre Reformatoren und Cranachs bildlicher Darstellung der Zehn Gebote); die durch Gedenktafeln bezeichneten frühern Wohnhäuser Melanchthons und Lukas Cranachs, letzteres jetzt Apotheke. Auf dem Markt steht das Standbild Luthers (von Schadow, seit 1822) und daneben das Melanchthons (von Drake, seit 1866). Außerdem hat die Stadt Denkmäler des Kaisers Friedrich III. und des Reformators Bugenhagen. Die ehemaligen Festungswerke sind jetzt abgetragen und in Anlagen umgewandelt. Vor dem Elstertor ist die Stelle, auf der Luther 10. Dez. 1520 die päpstliche Bulle verbrannte, durch eine Eiche bezeichnet. Die, zahl der Einwohner beläuft sich (t 905) mit der Garnison (ein Infanterieregiment Nr. 20 und eine reitende Abteilung Feldartillerie Nr. 74) auf 20,332 Seelen, davon 860 Katholiken und 70 Juden. Die Industrie beschränkt sich auf Eisengießerei, Maschinen-, Tonwaren-, Seifenpulver-, Sprit- und Malzfabrikation, Fabrikation ätherischer Öle, Ziegelbrennerei. Dampfmüllerei, Bierbrauerei, Gemüsebau und Blumenzucht, vesonders sehr bedeutende Anzucht von Maiblumenkeimen. Dem Verkehr dient ein Hafen und eine Pferdebahn. W. hat ein Gymnasium, ein Predigerseminar, ein Knabenrettungshaus und ein Lehrlingsheim und ist Sitz eines Amtsgerichts, eines Hauptsteueramts und einer Reichsbanknebenstelle. – W., zuerst 1180 erwähnt, wurde unter Albrecht I. Residenz der Herzoge von Sachsen und blieb es für die Linie Sachsen-W.; 1423 kam es mit Kursachsen an das Hans Wettin. Die 1502 von Friedrich dem Weisen errichtete, rasch aufblühende Universität ward seit Luthers Auftreten für lange Zeit der Hauptsitz der Reformationsbewegung und nach Luthers Tod gegenüber dem orthodoxen Jena unter Melanchthons Einfluß Vertreterin jener mildern Auffassung, die in der Abendmahlslehre schon in der Wittenberger Konkordienformel vom Mai 1536 zutage getreten war. In der Wittenberger Kapitulation (18. Mai 1547) trat Kurfürst Johann Friedrich sein Land nebst der Kurwürde an Herzog Moritz ab, und seitdem verlor W. an Bedeutung. Im Siebenjährigen Kriege wurde W. von den Preußen besetzt, im Oktober 1760 durch die Österreicher und die Reichsarmee bombardiert und kapitulierte. 1806 besetzten die Franzosen W.; die noch vorhandenen Werke wurden in Verteidigungszustand gesetzt. Nach der Schlacht bei Dennewitz vom Bülowschen Korps eingeschlossen, wurde W. seit 28. Dez. 1813 durch Tauentzien, der den Ehrennamen von W. erhielt, belagert und 13. Jan. 1814 erstürmt. Die Universität wurde 12. April 1815 mit der in Halle vereinigt und dorthin verlegt. 1873 ging die Festung ein. Vgl. Schadow, Wittenbergs Denkmäler der Bildnerei, Baukunst und Malerei (Wittenb. 1825); Meynert, Geschichte der Stadt W. (Dess. 1845); K. Schmidt, W. unter Kurfürst Friedrich dem Weisen (Erlang. 1877); Schild, Denkwürdigkeiten Wittenbergs (3. Aufl., Wittenb. 1892); L. Witte, Die Erneuerung der Schloßkirche zu W. (das. 1893); Gurlitt, Die Lutherstadt W. (in Muthers Sammelwerk »Die Kunst«, Berl. 1902); Kalkoff, Ablaß und Reliquienverehrung an der Schloßkirche zu W. (Gotha 1906); »Album academiae Vitebergensis 1502–1600« (Halle 1905–06, Bd. 1–3). – 2) (Klein-W.) Dorf im preuß. Regbez. Merseburg, Kreis Wittenberg, an der Elbe und der Staatsbahnlinie Roßlau-Falkenberg, hat (1905) 2074 Einw.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 701.
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