Eiche

[421] Eiche (Quercus L., hierzu Tafel »Eiche I-IV«), Gattung der Fagazeen, sind hohe Bäume und Sträucher mit rissiger Rinde, schmalen oder breiten und dann oft gezahnten, buchtig gelappten oder fiederspaltigen, abfallenden oder mehrere Jahre bleibenden Blättern und monözischen Blüten, von denen die männlichen geknäuelt in unterbrochenen, fadenförmigen Kätzchen, die weiblichen in meist armblütigen Kätzchen stehen. Die längliche Frucht steckt in einem napfförmigen Fruchtbecher mit kurzen oder verlängerten Schuppen. Etwa 200 Arten vorwiegend in Nordamerika und Westasien.

1. Gruppe. Eichen mit im ersten Jahre reifenden Früchten.

A. Eichen der Alten Welt mit im Herbst abfallenden Blättern. Die Sommereiche (Stieleiche, Q. pedunculata Ehrh., Q. Robur L., Tafel I u. II, Fig. 1–4), mit kurzgestielten Blättern mit ohrähnlichen Anhängseln an der Basis und lang gestielten lockern weiblichen Kätzchen, trägt 1–3 sitzende Früchte an einem langen Stiel. Der Stamm hält sich in den ersten 50 Jahren glatt, bildet aber im höhern Alter tiefrissige Borke; die Krone ist nie dicht und wird von vielfach gekrümmten und geknickten Asten und Zweigen gebildet. Die Pfahlwurzel dringt bis 2,5 m tief in den Boden, außerdem treibt der Baum zahlreiche kräftige Seitenwurzeln. Diese E. fordert deshalb auch einen tiefgrundigen oder wenigstens bis in bedeutende Tiefe durchdringbaren Boden. Am besten gedeiht sie auf fruchtbarem, lockerm Aueboden der Ebene, wächst aber auch noch in lehmigem, frischem Sandboden, während sie in höhern Lagen gewöhnlich der folgenden Art weicht. Sie findet sich in ganz Europa und im Orient, bildet im ungarischen Hügelland und Kroatien ausgedehnte Wälder und im russischen Tiefland einen breiten Waldgürtel zwischen dem Finnischen Meerbusen und der Steppengrenze, geht also ostwärts weit über die Buchenwälder hinaus, jedoch nur bis zum Ural, der sie von Sibirien[421] trennt. Auch nach N. hin ist sie weit jenseit der Buchengrenze verbreitet; ihre Polargrenze senkt sich von der norwegischen Küste (63°) allmählich über Petersburg bis zur Breite von Perm und fällt fast überall mit der Polargrenze des Weizens zusammen. Die Vegetationszeit beträgt in Brüssel 6, in Petersburg 5 Monate. In doppelter Hinsicht verhält sich die E. anders als die Buche: sie fordert zur Belaubung eine etwas höhere Temperatur (11–12°), verliert aber im Herbste die Blätter erst, wenn die tägliche Wärme tiefer gesunken ist als zu Anfang der Vegetationsperiode (in Petersburg unter 2°). Hierdurch wird es der E. möglich, so viel weiter als die Buche in das Klima Rußlands einzudringen, obgleich die Vegetationszeit fast dieselbe ist. In den Alpen geht sie bis etwa 1000 m. In Deutschland kommen die schönsten, wenn auch niemals ganz reinen Stieleichenwälder in der fruchtbaren mitteldeutschen Ebene und am Niederrhein vor. Früher scheint diese und die folgende Art in der Ebene und auf den niedrigen Gebirgen herrschender gewesen zu sein als jetzt. Die Eicheln bleiben nur in dem Jahr nach der Reise keimfähig, keimen aber sehr leicht; die jungen Pflanzen wachsen in den ersten 4–6 Jahren sehr ungerade und knickig, erst bei 15–20 Jahren beginnt der Stamm sich zu strecken; im mittlern Lebensalter hat die E. den stärksten Zuwachs, im hohen Alter setzt sie nur noch sehr dünne Jahresringe an, und wegen der alsdann eintretenden Kernfäule macht in der Regel ein Sturm dem Leben alter Bäume ein Ende. Ob die E. ein so hohes Alter erreicht (2000 Jahre), wie bisweilen angenommen wird, ist zweifelhaft. Fruchtbar wird die C. ziemlich früh; Samenjahre kehren etwas häufiger als bei der Buche wieder, und ganz samenlose Jahre sind selten. Die E. leidet durch Spätfröste, Frostrisse, Rot- und Weißfäule (hervorgerufen durch Polyporus-Arten, Hydnum diversidens, Stereum frustulosum [Thelephora perdix], vgl. Tafel »Pflanzenkrankheiten II«, Fig. 4 u. 6), Wipfeldürre, Krebs; junge Pflanzen werden durch den Eichenwurzeltöter (Rosellinia quercina) beschädigt. Kein Baum beherbergt soviel Insekten wie sie; besonders bemerkenswert sind die Gallwespen, die hauptsächlich auf Eichen leben. Schädlich werden der E. Maikäfer, Prozessionsspinner, Eichenblattwickler, aber nur in mehreren aufeinander folgenden Jahren wiederholte Entlaubung kann jungen Eichen tödlich werden, alte Eichen sind durch ihr großes Ausschlagsvermögen geschützt. Im Holz lebt der Eichenbock (Cerambyx cerdo). Das Holz der E. hat sehr dicke und breite Markstrahlen (Spiegel, Spiegelfasern) und sehr weite Gefäße; das Kernholz ist heller oder dunkler rötlich graubraun, bisweilen fast braunschwarz, das 8–13 Jahre umfassende Splintholz ist bedeutend heller. Die Härte ist mittelmäßig und die Dichtigkeit ziemlich gering. Es ist unter allen Verhältnissen sehr dauerhaft und dient in der Technik als sehr geschätztes Bau-, Nutz- und Werkholz. Auch wird es viel zu Fässern benutzt. Unter Wasser wird Eichenholz dunkler, fester, schwerer, und Stämme, die sehr lange unter Wasser gelegen haben, sind als Möbelholz (Wasser-, Mooreichenholz) sehr geschätzt. Man lagert deshalb auch absichtlich Eichenholz mehrere Jahre unter Wasser, beizt freilich auch frisches Eichenholz, um es dem Wassereichenholz ähnlich zu machen. Als Brenn- und Kohlholz steht es dem Buchenholz etwas nach; die Rinde dient als Gerbmaterial (s. Eichenrinden), auch die Eicheln finden vielfache Verwendung. Gallwespen erzeugen auf den Blattern Galläpfel, an den jungen Früchten Knoppern, die aber wenig wertvoll sind. In der Kultur befinden sich zahlreiche Varietäten der Sommereiche, z. B. Pyramideneiche (Q. pyramidalis), mit pappelartigem Pyramidenwuchs; Trauereiche (Q. pendula), mit dünnen, langen, hängenden Zweigen. Auch hat man Varietäten mit tiefer und seiner geschlitzten bunten Blättern und niedrige, strauchartige seormen. Die Wintereiche (Steineiche, Q. sessiliflora Salisb., Tafel II, Fig. 5–7, und Tafel »Laubbäume I« bei Artikel »Baum«) hat langgestielte, am Grunde keilförmige Blätter ohne ohrähnliche Anhängsel an der Basis, gedrungene weibliche Kätzchen und trägt gedrängt stehende, mehr eiförmige Eicheln auf einem sehr kurzen Fruchtstiel (daher Traubeneiche); sie blüht mit Entfaltung der Blatter, schlägt aber etwa 14 Tage später aus als die vari ge Art. Der Baum bleibt meist niedriger, erscheint gedrungener, erreicht kein so hohes Alter und verbreitet sich nicht so weit nach O. und N. wie die Sommereiche; im Bayrischen Wald steigt er bis 714, in den südlichen Alpen bis 1360 m. Sonst gilt von ihm, was von der vorigen Art gesagt ist. Auch von der Wintereiche werden mehrere Formen kultiviert. Die Färber- oder Galleiche (Q. infectoria Oliv.), meist strauchartig, sehr buschig, 2 m hoch, mit kurzgestielten, länglich verkehrteiförmigen Blättern, trägt auf einem kurzen Stiel 1–3 untereinander stehende, walzige, 4 c m lange Früchte. Sie wächst in Rumelien, Griechenland, Cypern, Kleinasien, Syrien, Persien und liefert besonders die Galläpfel. Die weichhaarige E. (Weiß- oder Schwarzeiche, Q. lanuginosa Thuill. Q. pubescens Willd., Tafel III, Fig. 1) hat deutlich gestielte, in der Jugend auf beiden Flächen grau behaarte, später fast kahle Blätter, bleibt kleiner als unsre Eichen, wächst in ganz Südeuropa, auch diesseit der Alpen, in Süddeutschland, im Orient bis an das Kaspische Meer, in besonderm Formenreichtum in Ungarn und Siebenbürgen. Sie liefert Eichenrinde.

B. Eichen der Neuen Welt mit im Herbst abfallenden Blättern und grauweißer, in breiten, dünnen Stücken sich lösender Rinde (Weißeichen, White Oaks). Die Blätter verfärben sich nicht im Herbst. Kastanieneiche (Q. Prinus L.), s. Tafel »Gerbmaterialien liefernde Pflanzen«, Fig. 3. Die weiße E. (Q. alba L.), mit schwach fiederlappigen Blättern und abgerundeten Lappen und ziemlich großen Früchten, ein schimer, bis 25 m hoher Baum, bildet in den Vereinigten Staaten hohe Wälder und liefert viel Gerbrinde. Die großfrüchtige E. (Q. macrocarpa Mchx.), ein großer Baum mit ziemlich langgestielten, 36 cm langen, gebuchteten, hautartigen, unterseits graugrünen, sternhaarigen Blättern und 5 cm langen, zu zwei Dritteln oder fast ganz von der breiten, am obern Ende mit haarförmigen Schuppen besetzten Fruchthülle umschlossenen, mild schmeckenden Früchten, bildet in den Vereinigten Staaten große Wälder.

C. Eichen mit immergrünen Blättern. Die immergrüne E. (Q. Ilex L., s. Tafel »Mittelmeerflora«, Fig. 2), mit gestielten, rundlichen oder länglichen, meist ganzrandigen, fast kahlen oder, besonders auf der Unterfläche, filzigen Blättern, wächst meist als sparriger, 2,5–3,8 m hoher Strauch in den Mittelmeerländern und auf den Inseln, liefert viele Kulturformen. Die meist langen Früchte der immergrünen E. werden in Spanien, Südfrankreich unb Nordafrika gegessen und heißen Ballota (daher Q. Ballota Desf.), die Rinde wird zum Gerben benutzt. Die Korkeiche (Pantoffelbaum, Q. Suber L.) ist ein 10–16 m hoher Baum, dessen ältere Stämme und[422] Äste mit glattem, rostbraunem Kork bedeckt sind, der sich zuletzt in großen, dicken Platten ablöst. Die Blätter sind eiförmig, meist scharf bis dornig gezahnt, in der Jugend graufilzig, später oberseits kahl. Die Eichel ist zwei- bis dreimal länger als der Becher und reist im ersten Jahr. Sie findet sich in Südostfrankreich, Spanien, Portugal, Sardinien, Korsika, Istrien, Italien, am häufigsten in Algerien und liefert den Kork. Q. occidentalis Gay, mit jährlichem Blattwechsel und im zweiten Jahre reisenden Früchten, bildet in Westfrankreich große Bestände und liefert wie die vorige Kork und Gerbrinde. Auf der Scharlacheiche (Zwerg-, Kermeseiche, Q. coccifera L.), einem Strauch mit dornig gezahnten Blättern, im ganzen Mittelmeergebiet, wohnt die als Kermesbeeren in den Handel kommende Schildlaus (Coccus Ilicis Fabr.). Die Wurzelrinde (Garouille, Rusque) wird wie die weniger wertvolle Stammrinde zum Gerben benutzt.

2. Gruppe. Eichen mit im zweiten Jahre reifenden Früchten.

Die weidenblätterige E. (Q. Phellos L., Tafel IV, Fig. 2), zu den Black Oaks gehörig, mit kurzgestielten, lineal-lanzettlichen, in der Jugend behaarten, später kahlen, meist ganzrandigen, abfallenden Blättern, ist einer Silberweide ähnlich, bis 20 m hoch, ist auf der Westseite Nordamerikas verbreitet. Die Wassereiche (Q. nigra L.), mit gestielten, stumpfgelappten, unterseits mehligfilzigen, meist zwei und mehrere Jahre ausdauernden Blättern, wächst an feuchten Stellen in Nordamerika, besonders im W., und liefert Gerbrinde. Die Färbereiche (Q. tinctoria Willd., s. Tafel »Farbpflanzen«, Fig. 10). Die sehr ähnliche Scharlacheiche (Q. coccinea Wangenh., Tafel IV, Fig. 3) hat rote, tief eingeschnittene, kahle Blätter mit Blattstiel, rotem Mittelnerv, wird im Herbst scharlachrot, bildet in den Vereinigten Staaten große Wälder; ihr Holz wird vielfach nach England ausgeführt und ihre Rinde zum Gerben benutzt. Die Roteiche (Q. rubra L.). mit langgestielten, fiederspaltigen, nur in der Jugend behaarten, 20–30 cm langen Blättern und großen, eirunden Früchten, ein schöner, großer Baum, bildet vom Huronensee bis Florida und Texas ausgedehnte Wälder und liefert viel Gerbrinde. Dasselbe gilt von der sehr schnellwüchsigen Sumpfeiche (Q. palustris Dur., Tafel IV, Fig. 1), mit sehr langgestielten, tief fiederspaltigen Blättern und kleinen Früchten. Die Knopperneiche (Valoneneiche, Q. Vallonea Kotschy, s. Tafel »Gerbmaterialien liefernde Pflanzen«, Fig. 1), mit gestielten, länglich-elliptischen, groß und ungleich gezahnt-gesägten bis stachelspitzigen, auf der Unterfläche behaarten Blättern, einzeln sitzenden, von der Fruchthülle ganz oder fast ganz eingeschlossenen Früchten und breiten, kantigen Schuppen auf den Hüllen, ist in Rumelien, Griechenland und Kleinasien ein ziemlich hoher Baum, dessen Fruchthüllen als Valonen in den Handel kommen (vgl. Dodona). Die Eicheln dieser Art nährten die ältesten Bewohner Griechenlands. Valonen liefern auch einige andre Eichen, die man früher als Q. Aegilops L. (Tafel III, Fig. 2) zusammenfaßte. Hierher gehören besonders Q. graeca Kotschy, in Attika, Kreta, Kleinasien, und Q. oophora Kotschy, in Kleinasien. Die Zirn- oder Zerreiche (österreichische, burgundische E., Q. cerris L., Tafel III, Fig. 3), mit gestielten, länglichen, buchtig fiederspaltigen oder oberflächlich gelappten, sehr veränderlichen Blättern und steifen, schmalen, zylindrischen, abstehenden Schuppen auf der Fruchthülle, ein großer Baum mit ungemein festem und hartem Holz (iron oak der Engländer) und eßbaren Früchten, wächst in Südeuropa, auch diesseit der Alpen, in Mähren, Ungarn, Serbien sowie in Kleinasien und Syrien. Ihre Rinde dient als Gerbmaterial. – Ein in Ungarn und Kroatien gewachsenes Eichenholz kommt in jungen Stämmen als Kongoeiche in den Handel und wird zu Spazierstöcken etc., aber auch als Möbelholz benutzt.

Forstwirtschaftliches.

In der Forstwirtschaft nimmt die Kultur der E. eine hervorragende Stelle ein. Allerdings hat die Hingabe ausgedehnter Waldflächen an die Landwirtschaft seit 1750 den zur Erziehung der E. geeigneten Boden erheblich vermindert; allein man weiß auch auf weniger kräftigen Waldböden noch Eichen zu erziehen. Man kultiviert die E. in Baumholzbeständen (Hochwald) oder im Oberholz des Mittelwaldes, zur Gewinnung von Gerbrinde in Niederwaldbeständen (Eichenschälwald). In Baumwaldungen wird die E. selten rein erzogen, meist in Vermischung mit Buchen, Hainbuchen, Ulmen, Eschen, Ahornen, Birken, Kiefern. In reinen Beständen tritt leicht Bodenverwilderung ein, weil die E. bei sehr großem Lichtbedürfnis im höhern Alter den Boden nicht vollkommen zu decken im stande ist. Im Eichenhochwald sind 120–180jährige Umtriebe am häufigsten. Die Bestandsverjüngung erfolgt durch eigentlichen Samenschlag mit sehr rascher Räumung der verjüngten Orte (nach 2–3 Jahren) oder in Schirmschlägen, in denen unter dem lichten Schirm andrer Holzarten die E. eingesät wird. Wo im Buchenhochwald bei der Verjüngung reichliche Beimischung der E. erreicht werden soll, haut man 8–10 Jahre vor dem Anhieb des Buchenbestandes große Löcher (0,2–0,5 Hektar) frei, besät dieselben voll mit Eicheln und erzieht so vorwüchsige große Eichenhorste (Spessartbetrieb). Reine Eichenbestände im Stangenholzalter (50–70 Jahre), die nicht auf ungewöhnlich kräftigen Böden stocken, müssen zur Erhaltung der Bodenkraft unterbaut werden. Etwa ein Drittel der Bestandsmasse wird herausgenommen und dann der Bestand mit Buchen, Hainbuchen, Fichten oder Tannen unterpflanzt (Lichtungsbetrieb). Im Mittelwald bildet die E. einen sehr schätzbaren Oberbaum. Zur bessern Ausformung des Stammes und zur Verminderung des Schirmdrucks werden hier häufig Aufastungen angewendet. Die Hinwegnahme stärkerer Äste wird jedoch für die Gesundheit des Stammes leicht gefährlich, indem die Wundfläche eine Einzugspforte für Verpilzung und Vermoderung bildet. Der in Frankreich, Belgien, Deutschland, auch in Holland, England, Österreich-Ungarn übliche Eichenschälwaldbetrieb ist ein Niederwaldbetrieb mit meist 15–20jährigem Umtrieb. Der Hieb erfolgt tief, um reichliche und kräftige Wurzel- und Wurzelknotenausschläge zu erzeugen. Über die Rindengewinnung s. Eichenrinden. Die ausgehenden (d.h. nicht mehr ausschlagsfähigen) Stöcke müssen durch Saat oder Pflanzung ersetzt werden. Man wendet bei letzterer mit gutem Erfolg gestummelte (d.h. über dem Wurzelknoten abgeschnittene) Pflanzen an. Mit dem Eichenschälwaldbetrieb wird vielerorts eine periodische Fruchtnutzung (Roggen oder Buchweizen) verbunden (Hauberg, Hackwald). Das forstliche Verhalten unsrer beiden Eichenarten ist nicht sehr verschieden. In vielen Gegenden Deutschlands gibt man in höhern Lagen und auf ärmerm Boden der Traubeneiche den Vorzug. Sie geht höher in den Bergen und beherrscht in Deutschland ein weitaus größeres Gebiet als die Stieleiche, ist namentlich herrschend auf dem Buntsandstein (Solling, Spessart),[423] dem Urgebirge (Harz), im Flachland mit sandigem Boden. Die Stieleiche herrscht dagegen im Aue- und Flußboden und in einzelnen dem Übergangsgebirge angehörigen Waldgebieten (Gegend von Siegen), ebenso auf Kalkboden. Die Gebrauchsfähigkeit beider Eichenarten ist fast die gleiche, doch ist das Holz der Traubeneiche etwas schwerer.

Die E. ist mit den ältesten naturreligiösen Mythen und Kulten der europäischen Völker eng verknüpft, besonders mit denen der alten Griechen, Etrurier, Germanen, Kelten, Skandinavier, Preußen etc. Die E. zu Dodona in Nordgriechenland war der Sitz des ältesten hellenischen Orakels, dessen Willen die Priester aus dem Rauschen ihrer Blätter vernahmen. Bei den Römern war die E. dem Jupiter gewidmet (arbor Jovis). Die alten Gallier und Deutschen hielten die E für einen heiligen Baum. Die Eichenwälder waren den Göttern geweiht, und unter den stärksten und höchsten Eichen wurden die Opfer dargebracht. Auch mehrere slawische Völker hielten die E. für heilig und brauchten das Eichenholz zu Opferfeuern. Als das Christentum nach Deutschland und in die Länder an der Ostsee drang, wurden viele alte heilige Eichen niedergehauen. Insbesondere soll eine heilige E. bei Geismar in Hessen berühmt gewesen sein, die von Bonifatius gefällt wurde. Auch bei den Juden und Persern stand die E. in hohen Ehren. Der Eichenkranz, als Schmuck, war zu allen Zeiten ein ernstes Symbol; in alten Zeiten bekränzten sich die Priester damit, auch war er Belohnung römischer Bürgertugend (s. Corona). Das Eichenlaub ist auf die gotische Ornamentik von bedeutendem Einfluß gewesen. Vgl. Kotschy, Die Eichen Europas und des Orients (Olmütz 1862); Burckhardt, Säen und Pflanzen (6. Aufl., Hannov. 1893); Geyer, Die Erziehung der E. etc. (Berl. 1870); v. Manteuffel, Die E., deren Anzucht, Pflege und Abnutzung (2. Aufl., Leipz. 1874); Reuter, Die Kultur der E. und der Weide (3. Aufl., Berl. 1875); v. Schütz, Die Pflege der E. (das. 1870); Fribolin, Der Eichenschälwaldbetrieb (Stuttg. 1876); Jentsch, Der deutsche Eichenschälwald und seine Zukunft (Berl. 1899); Mannhardt, Der Baumkultus der Germanen (das. 1874); Wagler, Die E. in alter und neuer Zeit. Mythologisch-kulturgeschichtliche Studie (das. 1891).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 5. Leipzig 1906, S. 421-424.
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