Gefäße

[440] Gefäße (Adern, Vasa, Angia), die Kanäle und Röhren für die Zirkulation der Nährsäfte (Blut und Lymphe) im Körper. G. fehlen bei vielen niedern Tieren, bei denen die Nährsäfte vom Magen aus durch dessen Wandung direkt in den übrigen Körper, bez. zunächst in die Leibeshöhle (s.d.) eindringen. In letzterer, d. h. in den Lücken zwischen den einzelnen Organen werden sie infolge der Kontraktionen des ganzen Körpers und einzelner Teile derselben in Zirkulation gebracht. Bald entwickelt sich jedoch ein System von Gefäßen mit eignen Wandungen (Gefäßsystem), das noch mit der Leibeshöhle in Verbindung steht. Gewisse Stellen der Wandungen werden kontraktil und gestalten sich so zu Herzen um, die nun durch ihre Zusammenziehung und Ausdehnung für eine regelmäßige Verbreitung der Säfte im ganzen Körper, d. h. für einen Kreislauf (s. Blutbewegung), sorgen. Gewöhnlich existieren in den Säften besondere zellige Elemente (Blutkörperchen), die vom Strom mitgetrieben werden. – Die G., welche die Flüssigkeit vom Herzen in den Körper leiten, heißen Arterien (s.d.) oder Schlagadern, die, welche sie von dort zurückbringen, Venen (s.d.) oder Blutadern; zwischen beiden zirkuliert sie entweder frei in den Lücken zwischen den Organen (so bei den Insekten), oder auch in besondern (meist sich rasch zu den äußerst seinen Kapillaren oder Haargefäßen verzweigenden) Kanälen (geschlossener Kreislauf). Eine weitere Art der G. entsteht dadurch, daß die Nährsäfte, die der Magen neu liefert, zunächst in besondern Kanälen, den Chylusgefäßen, gesammelt und dann erst dem Kreislauf zugeführt werden. Ehe sie jedoch in diesen eintreten, gelangen sie in die Lymphgefäße, welche die zwischen den Geweben befindliche und dorthin aus den Blutgefäßen ausgetretene Flüssigkeit (Lymphe) sammeln und mit dem Chylus in eine Vene überführen. Diese den Wirbeltieren zukommende Einrichtung läßt also die schon zirkulierende Flüssigkeit von Chylus und Lymphe als Blut (haema, sanguis) unterscheiden, während man die Säfte niederer Tiere auch Hämolymphe nennt. Wegen der Einzelheiten, namentlich mit Bezug auf den Menschen, s. Blutgefäße, Lymphgefäße etc. – Die Lehre von den Gefäßen, ein Teil der Anatomie, heißt Angiologie.

In der Pflanzenanatomie sind G. Röhren mit eigner Wand, die meist auf weite Strecken hin die Pflanzenteile durchlaufen und nur stellenweise blind endigen; sie gehen aus Reihen von Zellen hervor, deren trennende Querwände ganz oder teilweise aufgelöst werden, so daß kontinuierliche Röhren daraus entstehen. Die G. sind ein Bestandteil der Leitbündel (s.d.), speziell des Gefäß- oder Holzteiles dieser letztern, und laufen daher durch die Wurzeln, Stengel und Blätter; wo, wie in den Bäumen und Sträuchern, durch sekundäres Dickenwachstum ein Holzkörper gebildet wird, da sind sie auch in dem letztern meist in großer Zahl vorhanden, mit Ausnahme der Koniferen, deren Holz nur aus Gefäßzellen (Tracheïden) und Holzparenchym zusammengesetzt ist. Im Holz sind die G. die weitesten Elementarorgane und auf glatten Holzquerschnitten mittels der Lupe oder, wie bei der Eiche, schon mit unbewaffnetem Auge als seine, punktförmige Poren zu erkennen. Die Membran der G. ist stets verholzt und auf der Innenfläche ungleich verdickt. Nach der Form dieser Verdickung unterscheidet man verschiedene Arten der G. (s. Leitbündel). Die G. sind ganz oder doch größtenteils mit[440] Wasser gefüllt und scheinen daher die Leitung des Wassers und der in ihm enthaltenen Nährsalze auf größere Entfernungen hin in der Pflanze zu vermitteln.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 440-441.
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