Lymphe

[900] Lymphe (griech.), schwach gelbliche Flüssigkeit von etwas salzigem Geschmack, einem spezifischen Gewicht von 1,012–1,023 und alkalischer Reaktion, die sich in den Lymphgefäßen von den verschiedenen Körperteilen und Körpergegenden her nach dem Herzen hin bewegt und mit dem Venenblut vermischt, kurz bevor dieses in das rechte Herz gelangt. Die L. entsteht aus dem Inhalt der Blutkapillaren durch eine Art von Sekretionsvorgang, gelangt zunächst in die zwischen den Gewebselementen befindlichen Lücken und Spalträume (Saftlücken, Saftkanäle, Lymphspalten, Lymphräume) und liefert den Geweben diejenigen Substanzen, deren sie zu ihrer Ernährung bedürfen; dafür nimmt sie Zersetzungsprodukte aus den Geweben mit sich fort. Sie sammelt sich dann in den feinern Lymphgefäßen, die zu größern zusammenfließen. Durch diese tritt sie wieder in die Blutbahn ein, wo ihre noch brauchbaren Bestandteile aufs neue verwertet werden, während die Zerfallsprodukte schnell zur Ausscheidung gelangen. Wie das Blut enthält auch die L. Formbestandteile: Lymphkörperchen, rote Blutscheiben u. Fetttröpfchen. Die Lymphkörperchen (Lymphzellen, Lymphoidzellen, Chyluskörperchen) sind identisch mit den farblosen Blutkörperchen und werden von der L. in den Lymphknoten, die sie zu passieren hat, aufgenommen. Rote Blutkörperchen sind gar nicht oder nur sehr spärlich, selten in solcher Anzahl vorhanden, daß sie der L. eine mehr oder weniger starke rötliche Färbung erteilen. Sie stammen aus dem Blute. Fetttröpfchen findet man zur Zeit der Fettverdauung in der Darmlymphe oder dem Chylus, sie werden von dort durch den Milchbrustgang dem Blute zugeführt. Nach reichlicher Fettfütterung sind sie hier in solcher Menge vorhanden, daß der Chylus weiß wie Milch erscheint. Die gelösten Bestandteile der L. stimmen mit denen des Blutplasmas überein, doch erscheinen sie in andern Mengenverhältnissen. Bei annähernd gleichem Gehalt an anorganischen Bestandteilen enthält die L. weniger organische Stoffe als das Blutplasma. Wie das Blut, so gerinnt auch die L. kurze Zeit nach ihrer Entleerung. Sie enthält viel Kohlensäure, aber keinen oder nur sehr wenig Sauerstoff. Die Bewegung der L. durch die Gewebe und zum Blut hin geschieht unter unbedeutendem Druck und wird an vielen Stellen allein vom Blutdruck unterhalten. An andern Orten ist die Beziehung zwischen Blut und Lymphgefäßsystem viel weniger innig, und die abgesonderte L. würde ruhig liegen bleiben, wären nicht für ihre Fortschaffung besondere Mechanismen vorhanden. So stellt z. B. der sehnige Teil des Zwerchfells einen Apparat für die Aufsaugung und Fortschaffung der L. aus der Bauchhöhle, eine Art Pumpwerk dar, dessen Triebkraft in den Bewegungen des Zwerchfells gesucht werden muß. Ganz ähnliche Vorrichtungen hat man auch in den die Muskeln einhüllenden sehnigen Häuten und im Brustfell angetroffen. Ein weiteres Moment für die Fortbewegung der L. wird durch die Aspiration des Brustkorbes gegeben, denn der größte Teil des Milchbrustganges liegt innerhalb der Brusthöhle. Auch aktive Zusammenziehungen der Lymphgefäßwände unterstützen die Lymphströmung. Endlich wird auch der Abfluß der L. dadurch erleichtert, daß die Saftlücken und Lymphstämme bei der Kontraktion der Skelettmuskeln zusammengepreßt werden. Da die Lymphgefäße ventilartig wirkende Klappen besitzen, so erfolgt unter dem Einfluß solcher Kompressionen der Abfluß nur in einer bestimmten Richtung, nämlich nach dem Herzen hin. Aus den Gliedmaßen kann die L. überhaupt nur dann regelmäßig fortgeschafft werden, wenn diese aktiv oder passiv bewegt werden. Bei einigen Tieren, besonders bei den Amphibien und einigen Vögeln (z. B. bei den Straußen), kommen bei der Bewegung der L. außerdem noch rhythmisch pulsierende Lymphherzen (vgl. Lymphgefäße) in Betracht. Die Absonderung der L. aus dem Blute kann durch gewisse Mittel beträchtlich gesteigert werden (Lymphagoga). Zu diesen gehört Pepton, Extrakt von Krebsmuskeln u.a.m. Hält der Abfluß der L. nicht Schritt mit ihrer Abscheidung, so entsteht Ansammlung von L. in den Lymphspalten (Odem).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 900.
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