Lymphgefäße

[900] Lymphgefäße (Saugadern, Vasa lymphatica s. resorbentia), Röhren, die bei den Wirbeltieren (mit Ausnahme mancher Fische) fast in allen Organen des Körpers vorhanden sind, das überschüssige Ernährungsmaterial, das die Blutgefäße an die Organe abgeben, aussaugen und zugleich mit den Nährsäften aus den Verdauungsorganen (Chylus) in den Blutstrom zurückführen. Sie haben sehr dünne Wände und besitzen oft Klappen zur Verhütung des Rückströmens der Lymphe. Wahrscheinlich sind die feinsten Anfänge der L. Lücken in dem Gewebe der einzelnen Organe, die dann eine zellige Auskleidung bekommen und Lymphkapillaren bilden. Diese vereinigen sich zu größern Ästen und schließlich zu den Lymphgefäßstämmen.[900] Solche schließen namentlich bei niedern Wirbeltieren als Lymphräume die großen Gefäße in sich ein, folgen beim Menschen fast ausschließlich in ihrem Verlauf den Venen, treten aber an gewissen Körperstellen als zuführende L. (vasa afferentia) in Lymphdrüsen ein und verlassen diese wiederum als abführende L. (vasa efferentia). Stets münden sie zuletzt in eine Vene ein und sind vielfach kurz vorher noch mit einer kontraktilen Erweiterung versehen. Solche Lymphherzen finden sich in allen Wirbeltierklassen mit Ausnahme der Säugetiere. – Von den Stämmen, zu denen sich die L. vereinigen, bevor sie ihren Inhalt in den Blutstrom ergießen, nimmt beim Menschen der Milchbrust- oder kurzweg Brustgang (ductus thoracicus), eine Röhre mit wenigen Klappen, die L. der ganzen untern Körperhälfte, der ganzen linken und des untern Teiles der rechten Brusthälfte, der linken Hals- und Kopfhälfte und des linken Armes auf. Er entspringt vor dem ersten oder zweiten Lendenwirbel durch den Zusammenfluß von drei kurzen Stämmchen (von denen der mittlere die Chylusgefäße des Darmes aufnimmt), läuft dann zusammen mit der Aorta durch das Zwerchfell und mündet in die vena anonyma der linken Seite ein. Hier befindet sich gegen den Eintritt des Blutes in ihn eine Klappe. Die übrigen L. treten zu dem ansehnlichen rechten Saugaderstamm (truncus lymphaticus dexter) zusammen, der sich in den Winkel, den die rechte innere Drosselvene mit der rechten Armvene bildet, ergießt. Selbständige Erkrankungen der L. sind sehr selten; es kommen vor Erweiterungen (s. Lymphangiektasie), Lymphgeschwülste (s. Lymphangioma). Die Entzündung der L. (Lymphangitis) tritt als gesonderte Erscheinung nur an größern Asien der L. auf. Man sieht in solchen Fällen rote Streifen (z. B. am Vorderarm) durch die Haut durchschimmern, entsprechend dem Verlauf der L. und ihrer ebenfalls entzündeten nächsten Umgebung. Solche rote Linien deuten stets darauf hin, daß durch eine Verwundung schädliche, reizende Substanzen, besonders eitererregende Keime, in die Gewebe eingedrungen sind, die, von den Lymphgefäßen aufgenommen und weitergeschleppt, die Entzündung derselben und damit auch die Blutfülle in der Scheide der L. bedingen. Diese Lymphgefäßentzündung kann bei Entfernung der schädlichen Stoffe und Heilung der Wunde ohne weiteres verschwinden, zuweilen ist sie der Vorbote einer schwereren phlegmonösen Entzündung, einer Blutvergiftung etc.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 900-901.
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