Scheide

[723] Scheide (Mutterscheide, Vagina), der Teil der weiblichen Geschlechtsorgane, in den bei der Begattung das männliche Glied aufgenommen wird. Sie bildet das äußerste Stück des Eileiters, besitzt jedoch größere Weite. Unter den Wirbeltieren ist sie wie die Rute (s. d.) fast nur bei den Säugetieren stark entwickelt, und zwar ist sie doppelt bei den Beuteltieren, einfach, aber nach innen zu geteilt (um in die zwei Gebärmütter je einen Zweig zu senden), bei einigen Nagetieren, ungeteilt bei den übrigen. Sie beginnt bei allen Säugetieren am Ende der Gebärmutter und endet zuweilen mit einer besondern Schleimhautfalte in der Scham. Beim Menschen (s. Tafel »Eingeweide II«, Fig. 5) ist die S. eine gekrümmte häutige Röhre. Ihre Wände sind sehr dehnbar und elastisch, stark muskulös, innen mit Falten (columnae rugarum) versehen und bilden bei Jungfrauen am Eingang eine meist halbmond-, selten ringförmige Falte (Scheidenklappe, Hymen, Jungfernhäutchen), die den Durchmesser desselben beträchtlich verringert. Im Innern der S. befindet sich normal stets Schleim. – Die weibliche Scham (vulva, cunnus), d.h. der für S. und Harnröhre gemeinschaftliche Raum (sinus urogenitalis), liegt in der Nähe des Afters, ist beim Embryo mit diesem zur Kloake vereinigt und auch bei vielen erwachsenen Säugetieren noch mit ihm durch eine Hautfalte verbunden sowie mit einem für beide Öffnungen gemeinschaftlichen Schließmuskel versehen. Eine Hervorragung in ihr ist der Kitzler oder die Klitoris (s. d.). Beim Menschen hat die Scham rechts und links je zwei Hautfalten, die äußern oder großen und innern oder kleinen Schamlipppen (Nymphen, Labia majora und minora), der Eingang zur Scham[723] läßt sich durch einen Schließmuskel (constrictor cunni), dessen Fasern zum Teil in die des Afterschließmuskels übergehen, verengern. Der vor der Scham gelegene, mit krausen Haaren besetzte Teil der Bauchwandung heißt Venus- oder Schamberg (mons Veneris, mons pubis). Von angebornen Bildungsfehlern kommen Atresie und Verengerung (Stenose), auch Verdoppelung und Kloakenbildung vor. Bei letzterer haben S., Harnblase und Mastdarm gemeinsame Mündung. Von Krankheiten kommen vor: Entzündung der S. (s. Scheidenentzündung), Scheidenvorfall (s. d.), Cysten und Neubildungen (Papillome, Myome, Sarkome, Krebs), Vaginismus sowie Fistelbildungen (Blasen- und Darmscheidenfisteln).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 17. Leipzig 1909, S. 723-724.
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