Ablaß

[41] Ablaß (Indulgenz), ursprünglich Nachlaß einer von der Kirche auferlegten Bußleistung. Der A. ist hervorgegangen aus der Bußdisziplin der alten Kirche und bezieht sich ursprünglich auf die von der Kirche als Genugtuungen verhängten Strafen der Sünde. Als an deren Stelle auch andre gute Werke, Almosen, Fasten, Gebete, Wallfahrten etc., als Genugtuung in Anschlag gebracht wurden, kam es unter dem gemeinsamen Einfluß der germanischen Rechtsgewohnheit der Kompensation des Verbrechens durch Geld (Wergeld) und des kirchlichen Glaubens an die Existenz und Übertragbarkeit überverdienstlicher Leistungen dahin, daß alle Kirchenstrafen durch Geld abgekauft werden konnten. Bald wurde der ursprüngliche Geltungsbereich des Ablasses dahin erweitert, daß er sich auf den Erlaß auch der von Gott auf die Sünde gesetzten zeitlichen Strafen bezog. Besondern Aufschwung nahm das Ablaßwesen durch die Kreuzzüge. Die Teil nahme an ihnen als ein die Kirche besonders förderndes Werk wurde als Ersatz aller Genugtuungen angesehen. Es entwickelte sich die Theorie von der Befugnis des Papstes, einen allgemeinen (vollkommenen) A. (indulgentiae plenariae) an die Verrichtung eines bestimmten religiösen Werkes zu knüpfen. Die aus der Praxis hervorgegangene Gewohnheit wurde dann dogmatisch begründet durch Alexander von Hales (s. d.). Unter den Plenarablässeu nimmt seit 1300 die erste Stelle ein der von Bonifacius VIII. eingeführte Jubiläumsablaß, der ursprünglich nur alle 100 Jahre wiederkehren sollte, bald aber in jedem vom Papst bestimmten Jubeljahr (s. d.) gespendet wurde. Bekanntlich gab der durch Tetzel (s. d.) und andre schamlos geübte Ablaßkram den äußern Anlaß zur Reformation. Den Angriffen der Reformatoren gegenüber belegt das Tridentinum mit dem Anathema jeden, der leugnet, daß der Kirche mit der Schlüsselgewalt das Gericht über die Sünden und damit die Gewalt verliehen sei, dieselben zu erlassen. Da die Reinigung im Fegfeuer zu den zeitlichen Strafen der Sünde gerechnet wird, so hat die Kirche, nicht[41] ohne den Widerspruch auch neuerer Kirchenlehrer, ihren A. auch auf das Fegfeuer ausgedehnt. Aber A. ist seither nicht mehr zum Verkauf ausgeboten worden. Dagegen ist der A. hergebracht geblieben für bestimmte kirchliche Handlungen, besonders als Privilegium für bestimmte Orden, Kirchen, Altäre und Festzeiten. Sehr leicht wird es denen, die Rom besuchen, gemacht, überflüssigen A. zu verdienen. Der A. ist vollkommen oder unvollkommen, auf Zeit oder dauernd. Seine Wirkung ist, wenigstens in der Theorie, auch geknüpft an die Disposition, d.h. die gläubige und bußfertige Gesinnung, in der Praxis vor allem an die Leistung der vorgeschriebenen Werke. Vgl. Beringer, Die Ablässe, ihr Wesen und Gebrauch (12. Aufl., Paderb. 1900); Brieger, Das Wesen des Ablasses am Ausgang des Mittelalters (Leipz. 1897).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 41-42.
Lizenz:
Faksimiles:
41 | 42
Kategorien: