Jubeljahr

[324] Jubeljahr (lat. Annus jubilaei oder Jubilaeum, eigentlich Jobeljahr, v. hebr. jobel, Art Horn oder Posaune; in Luthers Übersetzung [3. Mos. 25,8ff.] Halljahr, Erlaßjahr), bei den Hebräern nach siebenmal sieben Sabbatjahren (s. d.) jedes 50. Jahr, das am 10. Tischri (am Versöhnungstag) unter Posaunenschall in Palästina verkündigt ward. Während desselben mußte alle Feldarbeit ruhen, die hebräischen Knechte wurden frei, veräußerte Grundstücke (Häuser in ummauerten Städten und dem Heiligtum gelobte Äcker ausgenommen) kamen ohne Kaufschilling wieder an den ursprünglichen Besitzer oder seine rechtmäßigen Erben zurück, und alle Schulden wurden erlassen. Der Hauptzweck dieser Einrichtung war, die von Moses beabsichtigte Gleichheit unter den Güterbesitzern zu erhalten und eine soziale Wiedergeburt des Staates zu bewirken.

Das J. (Jubiläum) in der römisch-katholischen Kirche ist aus der immer mehr wachsenden Neigung der Gläubigen, nach Rom zu den Gräbern der Apostel zu wallfahrten, entstanden. Die um die Jahrhundertwende 1300 besonders gesteigerte Wallfahrtssucht benutzte Papst Bonifatius VIII., um den Pilgern, wenn sie 15, den Einheimischen, wenn sie 30 Tage lang die Basiliken der Apostelfürsten Petrus und Paulus besuchten, vollkommenen Ablaß (s. d.) zu verheißen und alle 100 Jahre Wiederholung in Aussicht zu stellen. Der große Erfolg, welcher der päpstlichen Kasse und der Stadt Rom zugute kam, veranlaßte schon Clemens VI., diese Frist auf 50 Jahre, Urban VI., sie auf 33 Jahre herabzusetzen. Durch Paul II. wurde sie auf 25 Jahre festgesetzt. So wurde das J. 1350, 1390, 1423, 1450, 1475, 1500 etc. gefeiert. Zu den genannten Kirchen waren inzwischen die Lateranbasilika und Santa Maria Maggiore hinzugekommen. Nachdem bis 1825 die Jubiläen regelmäßig gehalten worden waren, entstand eine Pause bis 1900, wo Leo XIII. das J. mit besonderm Pomp gefeiert hat. Die Feier beginnt am Christabend. Der Papst läßt die bisher vermauerte heilige Pforte (Jubelpforte, Goldene Pforte) der Peterskirche unter mannigfachen Zeremonien (s. Hammer, S. 702) öffnen, und Papst und Klerus ziehen in feierlicher Prozession in die Kirche. Am 24 Dez. des folgenden Jahres wird die Pforte unter entsprechenden Zeremonien wieder vermauert. Drei Kardinäle als Legaten des Papstes vollziehen den gleichen Ritus in den andern Kirchen. Von den Jubiläen sind die außerordentlichen Jubiläumsablässe (indulgentiae ad instar jubilaei, plenariae in forma jubilaei) zu unterscheiden, welche die Päpste bei besondern, das allgemeine Wohl der Kirche betreffenden Anlässen ausschreiben und die auch in der Heimat gewonnen werden können. Solche Jubiläen fanden unter Leo XIII. 1879, 1881 und 1886 statt. Vgl. A. de Waal, Das heilige Jahr in Rom (Münster 1900); F. X. Kraus, Das Anno Santo (in seinen »Essays«, zweite Sammlung 1901).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 324.
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