Gewohnheit

[809] Gewohnheit ist die durch öftere Wiederholung der nämlichen körperlichen oder geistigen Tätigkeit sich ergebende Disposition, vermöge deren sie fortan bei dem geringsten äußern Anstoß ohne besondere Willensanstrengung (selbst unwillkürlich) und mit maschinenmäßiger Regelmäßigkeit (mechanisch) ausgeführt wird. Ein großer Teil unsrer alltäglichen Verrichtungen wird gewohnheitsmäßig vollzogen (Essen, Trinken, Gehen, Berufsgeschäfte etc.), aber auch auf rein geistigem Gebiete spielt die G. in der Form der Ideenassoziation (s.d.) eine große Rolle. Erstreckt sich die G. auf eine Mehrheit von Individuen, so wird sie zum Brauch, bez. zur Sitte (s.d.); dehnt sie sich auf eine Folge von Generationen aus, so wird sie zum Herkommen. Die hohe Bedeutung der G. liegt darin, daß sie das denkende und wollende Subjekt gewissermaßen entlastet, indem sie es ihm ermöglicht, häufig wiederkehrende Akte sicher auszuführen, ohne daß die Aufmerksamkeit besonders stark auf sie gerichtet zu werden braucht. Anderseits kann freilich auch die G. zu einem Hemmschuh der Entwickelung u. des Fortschritts werden: die gewohnten Gedankenverbindungen und Handlungen behalten eine große Gewalt, auch wenn wir zu besserer Einsicht gelangt sind, u. daher ist die Einführung eines Neuern fast nie ohne Kampf gegen alte Gewohnheiten möglich. Vgl. Übung.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 809.
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